Essen. . RWI-Chef Schmidt und alle Wirtschaftsweisen plädieren für eine Maut je nach Schadstoffausstoß. Einnahmen sollen in ÖPNV und Radwege fließen.
Wer mit dem Auto in die Stadt fährt, soll dafür bezahlen: Für eine City-Maut in deutschen Städten sprechen sich mit dem Chef der Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt nun bundesweit 30 führende Ökonomen aus. Um Fahrverbote zu verhindern und für bessere Luft und weniger Verkehr in den Städten zu sorgen, fordern sie eine Straßennutzungsgebühr. Sie soll sich auch am Schadstoffausstoß des jeweiligen Autos orientieren. Das sei sozial ausgewogener und ökologisch sinnvoller als Fahrverbote.
Schmidt hatte bereits im Februar im Gespräch mit unserer Zeitung eine City-Maut für das gesamte Ruhrgebiet vorgeschlagen, um die zunehmende Verstopfung der Innenstädte aufzulösen. „Die Metropolregion Ruhr wäre der ideale Raum für ein modernes City-Maut-System, sie könnte hier eine echte Vorreiterrolle einnehmen“, sagte er seinerzeit im Interview. Dabei ging es dem Chef des Essener RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung auch darum, die im Raum stehenden Fahrverbote für alte Diesel und sehr alte Benziner zu verhindern, die er für sozial unausgewogen hielte.
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Nun haben sich die anderen vier Mitglieder des Sachverständigenrats der Bundesregierung seiner Initiative angeschlossen, die er mit dem RWI und der Stiftung Mercator entwickelt hat. Die fünf Weisen sind die wichtigsten Wirtschaftsberater der Bundesregierung. Unterzeichnet haben das Plädoyer für eine Städtemaut viele weitere führende Ökonomen aus ganz Deutschland, darunter ifo-Chef Clemens Fuest und Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums.
Sie alle sind der Überzeugung, dass eine City-Maut, wie es sie in verschiedenen Formen bereits in einigen europäischen Metropolen wie London, Oslo, Mailand oder Stockholm längst gibt, den drohenden Verkehrskollaps durch stetig zunehmenden Autoverkehr in unseren Städten verhindern könnte. Durch Gebühren für Straßennutzung würden umweltfreundlichere Alternativen wie der ÖPNV mit Bus und Bahn, das Fahrrad oder auch Pkw-Fahrgemeinschaften attraktiver. Dennoch würde „niemand, der auf das Auto angewiesen ist, per Fahrverbot aus den Städten verbannt“. Flankierend sollen auch die Parkplätze in den Innenstädten „adäquat“ bepreist, sprich teurer werden.
- Die Ökonomen fordern im Detail eine Abgabe, die sich an den gefahrenen Kilometern und am Schadstoffausstoß der Fahrzeuge bemisst.
- Mit den Einnahmen sollen die Alternativen gestärkt werden, etwa durch bessere Fahrradwege, den Ausbau und die Verdichtung des ÖPNV-Angebots und Sozialtickets für Bus und Bahn.
- Als Preis schlagen die Experten vor, sich an den Gebühren in europäischen Maut-Städten zu orientieren. „Dann würde es sich für jeden Autofahrer und jede Autofahrerin um wenige Euro zusätzlich pro Tag handeln“, heißt es.
- Berechnet werden solle die Städte-Maut mit bereits verfügbaren automatischen Bezahlsystemen.
Eine Erfassung in Echtzeit würden es sogar erlauben, „eine auslastungsabhängige Maut zu erheben“, wie es sie etwa in der schwedischen Hauptstadt Stockholm gibt. Dort werden zu Stoßzeiten höhere Gebühren fällig. So ließen sich Verkehrsströme im Berufsverkehr steuern, betonen die Ökonomen. Was das etwa im Ruhrgebiet bedeuten könnte, hatte RWI-Chef Schmidt im Interview beispielhaft erklärt: „Wer nachts über die leere A40 fährt, zahlt nichts. Wer sich mit dem Auto in den Berufsverkehr-Stau stellt, zahlt am meisten.“
Eine Gebühr für die Benutzung öffentlicher Straßen – populär klingt der Vorschlag der Wirtschaftsprofessoren nicht. Das zeigten auch die ersten Reaktion im Februar. Weil sie das wissen, schlagen sie vor, die Städte-Maut zunächst in Modellregionen zu testen, in denen die Bevölkerung an der Umsetzung und Ausgestaltung „umfänglich und von Anfang an beteiligt“ werden solle.
In einer noch unveröffentlichten Befragung des RWI und des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zu verkehrspolitischen Einstellungen in Deutschland werde erkennbar, dass die Mehrheit der Bevölkerung durchaus einschneidende Maßnahmen akzeptieren würde, wenn sich deren Sinn erschließe. Dazu gehören der Ausbau von Fahrradwegen auf Kosten von Parkplätzen oder die Bevorrechtigung von Bus und Bahn auf staubelasteten Straßen. Unlängst wurde in Düsseldorf die erste entsprechende „Umweltspur“ eröffnet, auch Ruhrgebietsstädte wie Essen denken darüber nach. Die Initiatoren glauben deshalb, dass auch „eine sozial abgefederte Städte-Maut“ der Bevölkerung zu vermitteln sei.