Essen. . Umweltschützer loben den Vorschlag des Wirtschaftsweisen Schmidt. Einzelhandel warnt vor einer weiteren Verödung der Innenstädte durch eine Maut.
Der Vorschlag einer City-Maut im gesamten Ruhrgebiet hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Während Umweltverbände die Idee des Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt loben, warnen Handelsverband und Kammern davor, Autofahrer für die Straßennutzung in den Städten zahlen zu lassen.
Der Chef des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und des Sachverständigenrats der Bundesregierung hatte in dieser Zeitung das Ruhrgebiet als „idealen Raum“ für ein modernes Citymautsystem ins Spiel gebracht, um die steigende Verkehrsbelastung in den Griff zu bekommen. Die klammen Kommunen könnten mit den Einnahmen ihren Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und die Radwege ausbauen, um die Alternativen zum Auto attraktiver zu machen. Schmidt schwebt ein digital gesteuertes System vor, das jedes Fahrzeug erfasst und die Maut individuell berechnet. Der Preis soll in ruhigen Straßen bei null beginnen und mit dem Verkehrsaufkommen und der Umweltbelastung ansteigen.
Idee mit „gewissem Charme“, aber auch Risikopotenzial
Wirtschaftsverbände stehen dieser Idee traditionell eher kritisch gegenüber. „Einen gewissen Charme“ kann ihr gleichwohl Ansgar Kortenjann abgewinnen, der Verkehrs- und Logistikexperte der IHK Niederrhein, die derzeit federführend für alle Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet spricht. Der innerstädtische Verkehrsraum sei endlich und damit kostbar, eine Nutzungsgebühr daher ökonomisch begründbar. Trotzdem steht er einer City-Maut im Ruhrgebiet kritisch gegenüber, weil sie unerwünschte Lenkungswirkungen haben könne. So könne die Attraktivität der Innenstädte weiter sinken und die der Einkaufszentren auf der grünen Wiese steigen.
Auch die Lieferverkehre wären von einer City-Maut betroffen. Und bisher hätten nach den Erfahrungen der Logistiker alle Versuche, sie aus den Morgenstunden in den Abend und die Nacht zu verlagern, nicht gut funktioniert. Abgesehen von den höheren Kosten für Nachtzuschläge. Kortenjann begegnet auch der Idee, mit den Einnahmen den ÖPNV auszubauen, skeptisch. Denn damit würden die Kosten einer originär öffentlichen Aufgabe den Autofahrern aufgebürdet.
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„Die Erreichbarkeit der Innenstädte ist das A und O“, sagt Peter Achten, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands NRW. 40 Prozent der Kunden kämen mit dem Pkw in die Stadt, sie sorgten für die Hälfte der Einnahmen. „Das kann man gut oder schlecht finden – gerade in hochverdichteten Räumen wie dem Ruhrgebiet ist es für vitale Innenstädte wichtig, dass die Kunden bequem hinein kommen“, sagte Achten. Voraussetzung für eine Maut sei daher, dass der ÖPNV als Alternative bereits bestens funktioniere. Davon sei er in NRW und dem Ruhrgebiet aber noch weit entfernt. Achten hält daher alternative Mobilitätskonzepte mit mehr Elektroautos für besser als eine City-Maut.
Bund NRW: Brauchen dringend einen Schub für ÖPNV
Dagegen begrüßen Umweltverbände den Vorschlag des RWI-Chefs. „Der Leidensdruck ist groß, eine City-Maut halte ich für ein gutes Mittel, um die Einfahrten in die Städte zu reduzieren“, sagte Dirk Jansen von der Umweltschutzorganisation Bund in NRW. Metropolen wie London und Stockholm zeigten, dass dies funktioniere.
Daher habe er eine Maut bereits in der Debatte um die Luftreinhaltepläne vorgeschlagen – als bessere Alternative zu den drohenden Fahrverboten. Eine City-Maut dürfe aber keine Ausweichverkehre schaffen und müsse einhergehen mit besseren Alternativen. „Wir brauchen so oder so dringend einen Schub für den ÖPNV“, sagte Jansen. Bei der Frage, wie das am besten erreichbar sei, dürfe es „keine Denkverbote geben“.