Essen/Duisburg. . Der Traditionskonzern Haniel lässt auf Zollverein digitale Ideen schmieden. Eine App, die Schrottabholer ruft, ist nur eines der Projekte.

Die schwere Stahltür und eine Wand mit industriellen Schaltern lassen noch erahnen, dass hier früher mal körperlich gearbeitet wurde. Auf der Zeche Zollverein in Essen sitzen jetzt junge Leute in ihren Hoodies vor Laptops, daneben stehen eine Tischtennisplatte und Sofas. Wir sind bei Schacht One, der Denkfabrik des Duisburger Traditionskonzerns Haniel. 2016 hatte sich das Unternehmen entschlossen, auf dem Unesco-Welterbe in der Nachbarschaft zu anderen kreativen Firmen eine digitale Einheit aufzubauen. Die erste Bilanz kann sich sehen lassen.

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„Seit dem Start vor drei Jahren haben wir mehr als 50 große und kleine Projekte an den Start gebracht“, sagt Dirk Müller, Geschäftsführer der Schacht One GmbH. Mit neun festen Mitarbeitern und einer Handvoll Werkstudenten brütet er über Ideen, wie die sechs Unternehmen, an denen die Haniel-Gruppe die Mehrheit hält, ihre Geschäfte digitaler ausrichten können.

„Wir wissen nicht, was am Ende herauskommt“

„Wir arbeiten an Dingen, von denen wir oft nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt“, meint Müller. Das sei der große Vorteil der konzernweiten Einheit. „Wir verlassen uns bei den weiteren Schritten nicht einfach auf unser Bauchgefühl, sondern vertrauen ganz klar den von uns geprüften Daten und Fakten. In den Geschäftsbereichen werden sie dann weiterentwickelt“, so der Manager.

Dirk Müller, Geschäftsführer der Schacht One GmbH.
Dirk Müller, Geschäftsführer der Schacht One GmbH. © Lars Heidrich

So befasste sich das Team von Schacht mit der Frage, ob der Hygiene-Spezialist CWS-boco, der zu Haniel gehört, seine Schmutzfangmatten ohne Einsatz von Vertriebsmitarbeitern allein über das Internet an kleinere Kunden vermieten kann. „Diesen Kanal gab es bislang noch nicht“, sagt Müller. Nach Gesprächen mit potenziellen Kunden wie Barbetreibern und Friseuren und der Auswertung von Suchmaschinen im Internet, entschloss sich das Team, mit mattenprofi.de ein eigenes Start-up zu gründen. „Man muss sich einfach nur trauen, andere Wege zu gehen als zum Beispiel im bisherigen Vertriebsmodell des eigenen Unternehmens“, meint der Schacht-One-Chef. Die junge Firma mattenprofi.de ist als Tochter von CWS-boco inzwischen erfolgreich am Markt und will demnächst wieder zurück auf die Zeche Zollverein ziehen.

Ein ganz neues Geschäftsfeld hat die Digitaleinheit auch für die Haniel-Firma ELG gesammelt. Das Duisburger Unternehmen handelt nahezu weltweit mit Edelmetall-Schrott und bereitet ihn auf. Im Fokus standen bislang industrielle Großkunden. Das hat sich geändert. Ein Team von Schacht One hat eine App entwickelt, über die auch Privathaushalte und Handwerksbetriebe kleine Schrottmengen abholen lassen können.

Die Gründer des mittlerweile in Düsseldorf ansässigen Start-ups remetal.de, die zum Haniel-Edelmetallhändler ELG gehört, haben sich ein einen kleinen Fuhrpark von Transportern aufgebaut, holen damit Altmetall direkt bei den Kunden zu Hause ab und schließen damit eine Marktlücke. Das Startup operiert aktuell im Ruhrgebiet sowie im Großraum Düsseldorf und Köln. Die Remetal-Mitarbeiter wiegen das Altmetall gleich vor Ort ab und analysieren die Zusammensetzung. Der Kunde erhält noch vor Ort Auskunft über den Wert – „Das ist präzise und transparent für die Kunden“, so Müller. Die Altmetalle bringen die Mitarbeiter dann zu Recyclinghöfen der ELG und anderen Partnern.

Alte Halle, moderne Einrichtung: die Geschäftsräume von Schacht One.
Alte Halle, moderne Einrichtung: die Geschäftsräume von Schacht One. © Knut Vahlensieck

Diese zwei gut laufenden Gründer-Beispiele stimmen Schacht-One-Chef Müller optimistisch: „Mit der Kultur, die wir hier auf Zollverein pflegen, und unserer ganz anderen Herangehensweise kommen wir häufig schneller zu Entscheidungen als in streng hierarchisch strukturierten Unternehmen.“ Haniels Digital-Einheit in Essen habe inzwischen ein großes Partner-Netzwerk aufgebaut, auf das sie bei Spezialfragen wie Künstliche Intelligenz, Daten-Analyse oder Programmierung zurückgreifen könne.

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Dazu gehörten auch Start-ups. „Die Start-up-Szene im Ruhrgebiet

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entwickelt sich gerade mega. Haniel hat das Ruhrgebiet geprägt. Jetzt wollen wir für die Region auch im digitalen Kontext wieder etwas gestalten“, sagt Müller im Hinblick auf die Entscheidung, die Ideen-Schmiede in Essen und nicht etwa in der bisherigen Gründerhauptstadt Berlin anzusiedeln.

Schacht One expandiert mit der Schmiede Zollverein

Nach drei Jahren auf Zollverein plant Schacht One bereits eine Expansion. Wir haben zahlreiche Anfragen von externen Unternehmen, die mit uns arbeiten wollen, deswegen wurde Schmiede Zollverein gegründet, quasi unser Spinoff“, erzählt Müller. Die GmbH soll bald Räume in der ehemaligen Schalterhalle beziehen können, die die Stiftung Zollverein nicht mehr benötigt.

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„Zu uns kommen Unternehmen, die überhaupt noch nicht digital unterwegs sind, aber auch solche, die schon weiter sind“, sagt Geschäftsführerin Susann Kleinhans. Erste Kunden hat die „Schmiede“ bereits gewonnen. „Wir erarbeiten mit ihnen in kleinen Schritten, welche Potenziale sich durch die Digitalisierung ergeben“, so Kleinhans. Das fünfköpfige Team will sie bis zum Jahresende auf zehn Mitarbeiter verdoppeln. Mit dabei ist auch Sebastian Schäfer, der zum 1. März von Schacht One als Leiter Innovation zur „Schmiede“ gewechselt ist. „Alle Mittelständler haben erkannt, dass sie digitaler werden müssen. Sie wissen aber meist nicht, wo sie anfangen sollen und wie sie ihre Mitarbeiter mitnehmen können“, sagt er. Auf Zollverein haben die Firmen jetzt eine Anlaufstelle. „Betreuung gibt es zum Flat-Tarif“, meint Schäfer.