Duisburg. . Die Haniel-Tochter CWS-boco testet in Duisburg den digitalen Waschraum. Er soll WC-Nutzern mehr Lust auf das Händewaschen danach machen.

Ordentliches Händewaschen kann nach Einschätzung von Hygieneexperten die Krankenrate in den Unternehmen um 50 Prozent senken. In Duisburg testet die Haniel-Tochter CWS-boco deshalb, wie durch Digitalisierung von Waschräumen der Keimbefall verringert werden kann.

In der Haniel-Akademie betreten Herren mit Notdurft eine neue Welt. Schon an der Tür zum Toilettenraum kann der Besucher auf einem Bildschirm erkennen, ob das Klo frei ist, ob ausreichend Toilettenpapier und Seife vorhanden sind. Das Badezimmer kann der Nutzer betreten und nutzen, ohne eine Tür berühren zu müssen. Den Öffnungs- und Verriegelungsimpuls übertragen Sensoren, auch die Wasserspülung funktioniert kontaktlos. Der WC-Sitz reinigt sich selbsttätig.

Am Waschbecken kommt das Wasser gleich mit Seife gemischt aus einem digital gesteuerten Wasserhahn. Laut CWS-boco spart die Technik bis zu 90 Prozent Wasser und 60 Prozent Seife. Auf dem Spiegel laufen Anweisungen, welche Handbewegungen zu optimaler Hygiene führen.

Nur jeder zweite Mann wäscht sich die Hände

„Nur zwei von drei Personen waschen sich nach dem Toilettengang die Hände. Dieses Verhalten müssen und wollen wir ändern“, sagt CWS-boco-Chef Thomas Schmidt. Aus Umfragen weiß das Unternehmen, das zu den drei führenden Ausstattern von Waschräumen in Europa zählt, dass sich drei Viertel der Frauen, aber nur weniger als die Hälfte der Männer die Finger reinigen, wenn sie vom Klo kommen. Dabei werden 80 Prozent aller Infektionskrankheiten über die Hände übertragen.

Johannes Winterhager von CWS-boco erklärt das Hygiene Experience Lab. Auf dem Monitor am Eingang kann der Besucher ablesen, ob das Klo frei ist und ob genug Papier und Seife vorhanden sind.
Johannes Winterhager von CWS-boco erklärt das Hygiene Experience Lab. Auf dem Monitor am Eingang kann der Besucher ablesen, ob das Klo frei ist und ob genug Papier und Seife vorhanden sind. © Morris Willner

Manager Johannes Winterhager macht dafür nicht nur die Bequemlichkeit der Menschen verantwortlich, sondern auch den schlechten Zustand so mancher Waschräume. „Die Leute fühlen sich in den Waschräumen einfach nicht wohl. Das zeigt sich daran, dass sie Türen am liebsten mit dem Fuß öffnen und dass man am liebsten nicht sehen möchte, wer vor einem aus der Kabine kommt.“

Den verbreiteten Hygienemängeln will CWS-boco mit den Mitteln der Digitalisierung, aber auch mit neuesten Forschungserkenntnissen begegnen. Im Prototyp des Badezimmers der Zukunft in der Ruhrorter Haniel-Akademie sind die Fliesen mit keimabweisenden Platten verkleidet. Eine Duftberieselung verhindert das Entstehen unangenehmer Gerüche.

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Doch das Unternehmen setzt nicht nur auf neue Technik, sondern auch auf den erzieherischen Faktor. „Mit dem digitalen Wasserhahn können wir anonym messen, wie viele Nutzer sich die Hände waschen. Bei Bedarf kann die Personalabteilung auf einer Etage dann eingreifen und zu mehr Hygiene aufrufen“, meint Winterhager.

Keime verschwinden beim Händewaschen

CWS-boco will den digitalen Waschraum als Ganzes oder aber auch nur Komponenten davon an Kunden wie Firmenzentralen, Hotels oder Restaurants vermieten.

Zur Toilette kann man in Duisburg berührungslos kommen. Der Klositz reinigt sich automatisch nach der Benutzung.
Zur Toilette kann man in Duisburg berührungslos kommen. Der Klositz reinigt sich automatisch nach der Benutzung. © Morris Willner

Saubere Hände sind offenbar auch ein wirtschaftlicher Faktor. Nach Zahlen des Beratungsunternehmens Booz & Company entstehen deutschen Unternehmen pro Jahr Kosten in Höhe von 130 Milliarden Euro durch Krankheiten. Das seien 3600 Euro pro Kopf. Klaus Dieter Zastrow, Arzt für Hygiene und Umweltmedizin, ist davon überzeugt, dass die Übertragung zahlreicher Infektionskrankheiten durch saubere Hände verhindert werden könne. „Bis zu 99 Prozent der Keime können wir abwaschen“, sagt der Mediziner.

Dabei komme es aber auch auf die Dauer und die Technik beim Händewaschen an. Zastrow rät dazu, auf öffentlichen Toiletten ausschließlich Waschbecken-Armaturen einzusetzen, die kontaktlos oder per Knie und Fuß zu bedienen sind. „Ganz normale Seife reicht“, sagt der Arzt. Außerhalb des privaten Badezimmers seien Seifenstücke aber tabu. „Darauf fühlen sich Keime besonders wohl“.

Zum Abtrocknen empfiehlt Zastrow Stoffhandtücher-Rollen oder Papierhandtücher. „Heißlufttrockner sind völlig ungeeignet, weil sie Keime auf dem Fußboden aufwirbeln“, meint der Arzt. Diesen Ratschlag hat CWS-boco bereits vor dem Versuch mit dem digitalen Waschraum beherzigt. „Wir haben die Heißlufttrockner aus dem Programm genommen und bieten nur noch Stoff und Papier an“, sagt Unternehmenschef Thomas Schmidt.

>>> CWS-boco: Hygiene, Berufskleidung und Schmutzmatten

CWS-boco ist ein Anbieter von Berufsbekleidung, Wasch- und Reinraumhygiene und Schmutzmatten. Das Unternehmen, das zur Duisburger Haniel-Gruppe gehört, beliefert mit seinen rund 10.800 Mitarbeitern Kunden in 16 europäischen Ländern. Auf dem Haniel-Campus im Stadtteil Ruhrort sitzt die Europa-Zentrale von CWS-boco. Die Tochter erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro. Thomas Schmidt, Chef von CWS-boco, soll im Juli die Nachfolge von Stephan Gemkow an der Spitze der Haniel-Gruppe antreten.