Düsseldorf. Beim Discounter gibt es Getränke meist nur in Einwegflaschen. Die NRW-Regierung will die besser kennzeichnen. Unterschied sei vielen nicht klar.

Nach dem angekündigten Wechsel des US-Getränkeriesen Coca-Cola zu mehr Einwegflaschen sehen Fachleute das komplette Mehrwegsystem in Deutschland auf der Kippe. Sollten immer weniger Getränke in wieder befüllbaren Plastik- oder Glasflaschen verkauft werden, dann seien massive Folgen für die mittelständische Wirtschaft auch in NRW zu erwarten.

Thomas Hilche von der rund 180 Mineralwasserbetriebe vertretenden Genossenschaft Deutscher Brunnen sieht zahlreiche Unternehmen gefährdet. „In NRW stehen 40 Betriebe mit 10.000 Arbeitsplätzen auf der Kippe“, sagte Hilche bei einer Expertenanhörung im NRW-Landtag. Derzeit sorgen sich vor allem die Coca-Cola-Mitarbeiter: „Steigt Coca-Cola komplett aus dem Mehrwegsystem aus, verlieren wir in Deutschland 3000 bis 5000 sozialversicherte und tariflich bezahlte Arbeitsplätze“, sagte Johann Botella vom Coca-Cola-Gesamtbetriebsrat im Landtag.

Coca-Cola setzt verstärkt auf Einwegflaschen

Coca-Cola will seine 0,5- und 1,5-Liter-Plastikflaschen ab Sommer nur noch im Einwegsystem verkaufen. Damit wären lediglich Ein-Liter-Flaschen in wieder befüllbaren und deshalb als umweltschonender geltenden PET-Mehrwegflaschen zu haben sein. Coca-Cola stellt Marken wie Sprite, Nestea oder Powerade her. In NRW beschäftigt das Unternehmen 2200 Menschen an acht Standorten. Erwartet wird, dass andere große Getränkeproduzenten dem Marktführer folgen werden.

Auch interessant

Als Verfechter des Mehrwegsystems bringen sich SPD, Grüne und Piraten in Position. Die drei Landtagsfraktionen drängen die rot-grüne Landesregierung, sich mit einer Initiative im Bundesrat für wieder befüllbare PET-Flaschen einzusetzen. Einwegflaschen sollen besser gekennzeichnet werden als bisher, eine Info-Kampagne soll umgesetzt werden. Damit die Mehrwegquote von derzeit unter 50 auf rund 80 Prozent steigt, soll sogar eine zusätzliche Abgabe für Einwegflaschen geprüft werden. Ähnlich wie bei alkoholhaltigen Süßgetränken, den sogenannten Alkopops, könnte das so künstlich verteuerte Einwegprodukt für den Kunden unattraktiv gemacht werden.

Nur noch jede zweite Plastikflasche eine Mehrwegflasche

Mit einer solchen Abgabe sollte der Niedergang des Mehrwegsystems schon einmal gestoppt werden. 2003 führte die damalige rot-grüne Bundesregierung das sogenannte Dosenpfand ein. Anders als dieser griffige Name vermuten lässt, gilt die Abgabe auch für Einwegplastikflaschen, die nach dem Gebrauch nicht wieder befüllt, sondern zerkleinert werden und nur zu einem Teil wieder für Plastikflaschen genutzt werden können. Zu erkennen sind diese Flaschen am einem Symbol mit Flasche, Dose und Pfeil – und am Pfand: Kunden zahlen 25 Cent Pfand pro Flasche, bei Mehrwegflaschen sind es zwischen acht und 15 Cent. Ausgenommen hat der Staat PET-Einwegflaschen für Fruchtsäfte.

Seit 2005 können die Einwegflaschen aus leichtem und dünnem Plastik bequem in allen Supermärkten abgegeben werden – egal, wo sie gekauft wurden. Ein Vorteil zu den dickeren Mehrwegflaschen: Händler nehmen oft nur die Marken an, die sie selbst auch führen. Seitdem nimmt die Mehrwegquote, einst bei 80 Prozent angepeilt, stetig ab. Nur noch jede zweite verkaufte Plastikflasche ist heute Mehrweg.

Auch interessant

Vor allem bei Mineralwasser greifen Kunden zu den günstigen Einweglösungen von Discountern, die 1,5 Liter für 19 Cent anbieten. Das fällt besonders ins Gewicht, weil Wasser zu den beliebtesten Getränken des Deutschen gehört. Im Jahr kauft er im Schnitt 137 Liter.

Und selbst beim Bier, das die Deutschen immer noch am liebsten aus Glasflaschen trinken, bröckelt die Nachfrage nach Angaben des Bundesverbands des Deutschen Getränkefachgroßhandels. Denn jüngst hat der Discounter Lidl das Dosenbier wieder zurück ins Regal geholt. „Und wir erwarten, dass Aldi Süd nachzieht“, sagte Verbandschef Günther Guder im Landtag.

Welchen Effekt hätte eine deutlichere Kennzeichnung von Einweg? 

Kunden kaufen Einweg ohne das genau zu wissen, berichteten die Fachleute der Verbraucherzentrale aus ihrer Beratungspraxis. „Verbraucher scheitern an der Frage, ob sie Einweg- oder Mehrwegflaschen gekauft haben", sagte Friederike Farsen in der Expertenanhörung in Düsseldorf. Sie kritisierte etwa, dass das derzeitige Einweglogo verwirre und sie unterstützte somit SPD, Grüne und Piraten bei der Idee zu einer bessere Kennzeichnung. "Der Verbraucher kann erst dann frei entscheiden, wenn er richtig informiert ist.“

Jürgen Heinisch von der Gesellschaft für Verpackungsforschung hält den Effekt einer deutlichen Kennzeichnung allerdings für gering. „Wir gehen davon aus, dass die Qualität des Produktes und der Preis die entscheidenden Kaufkriterien darstellen“, sagte Heinisch. „Daran wird aber die Kennzeichnung nichts ändern.“

Bundesumweltministern lehnt Abgabe ab

Anders könnte es sich mit einer Abgabe verhalten. Für die SPD ist sie aber wohl höchstens ein der letzten Ausweg: „Derzeit lehnen wir Sanktionen ab“, hatte der SPD-Fraktionsvize Jochen Ott Anfang der Woche gesagt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lehnte diese Abgaben sogar komplett ab.

Auch interessant

Gegner ist auch die Firma Lekkerland. Das Unternehmen beliefert deutschlandweit 60.000 Tankstellen und Kioske mit Einweg-PET-Flaschen. Jonny Natelberg warnt vor einer neuen Abgabe: „Bitte keine Experimente. Durch den Dosenpfand haben wir damals 50 Prozent unseres Umsatzes gekostet.“ Mit hohen Investitionen sei nun ein funktionierendes Abgabesystem installiert worden, das viele Arbeitsplätze sichere. Natelberg verwehrte sich der Idee des ahnungslosen Kunden: „Beim Bier greifen die Leute zur Glasflasche, bei anderen Getränken bewusst zur leichteren Einwegflasche.“

"Mehrweg ist ein Instrument des Mittelstandes"

Thomas Hilche von der Genossenschaft Deutscher Brunnen appelliert an die Politik, die Mehrwegquote zu stabilisieren. "Ist Mehrweg einmal geschwächt, lässt es sich nicht wieder neu aufbauen." Dann drängten internationale Großunternehmen auf den Markt. „Im Einwegsystem gibt es drei solcher Großunternehmen. Der Mehrweg ist aber ein Instrument des Mittelstandes.“ SPD, Grüne und Piraten wollen eine 80-prozentigen Mehrwegquote als Zielwert erreichen.

Befürworter der Mehrweg-PET-Flaschen nennen auch den ökologischen Vorteil dieses Systems: Die dicken Mehrwegflaschen werden aufwendig gesäubert, auf Schäden geprüft und dann neu gefüllt. Zwischen 15- und 25-mal geht das bei PET-Flaschen, bis zu 50-mal bei Glasflaschen. Lieferwege sind halb so kurz wie bei Einwegflaschen. Einwegflaschen hingegen werden zerkleinert, nur ein Teil des Plastiks – zwischen 20 und 50 Prozent – kann überhaupt wieder für eine neue Flasche genutzt werden.

Neue Studien zu Einweg gefordert

Für Clemens Stroetmann von der Stiftung Initiative Mehrweg eine klare Sache: „Nach allen mir bekannten Ökobilanzen hat das Mehrwegsystem einen deutlichen Vorsprung vor dem Einwegsystem.“

Wolfgang Burgard vom Bund Getränkeverpackung der Zukunft hingegen fordert neue Studien zu den unterschiedlichen Verpackungsarten ein. Die meisten Aussagen stützten sich auf Daten des Jahres 2000, kritisieren auch Vertreter die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung. Wolfgang Burgard verteidigt das Einwegsystem: „Einweg ist heute kein Abfall mehr, sondern ein Wertstoff, der an 35.000 Automaten im Land abgegeben werden kann.“