Berlin. Streiks im Bahn- und Flugverkehr setzen die Politik unter Druck. Der Ruf nach einer Tarifeinheit per Gesetz wurde zuletzt immer lauter. Jetzt will die Koalition liefern - und stößt auf heftige Gegenwehr.

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) wirft der Bundesregierung bei ihren Plänen zur Tarifeinheit ein Täuschungsmanöver vor. In Wahrheit solle das Streikrecht der Arbeitnehmer - anders als bisher angekündigt - massiv eingeschränkt werden, sagte der MB-Vorsitzende Rudolf Henke der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will an diesem Dienstag Stellung zu den Gesetzesplänen nehmen. Der Einfluss kleiner Gewerkschaften soll eingedämmt werden. Dadurch sollen Streiks in rascher Folge, wie aktuell bei Piloten und Lokführern, erschwert werden. Ziel ist es, das Prinzip der Tarifeinheit wieder zu stärken.

Geplant sind nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag) stärkere Anreize für eine friedliche Lösung von Streitigkeiten zwischen konkurrierenden Gewerkschaften. Eine ausdrückliche Begrenzung des Streikrechts sehe der Gesetzentwurf nicht vor. Doch falls zwischen konkurrierenden Gewerkschaften keine andere Einigung gelingt, wären "nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die (...) im Betrieb die meisten Mitglieder hat", heißt es laut der Zeitung in dem Gesetzentwurf. Ein Sprecher des Ministeriums wollte sich dazu zunächst nicht äußern.

Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Henke, wandte ein: "Wenn nur der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft gültig ist, dann sind alle Beschäftigten im Betrieb an die Friedenspflicht dieses Tarifvertrages gebunden." Es spiele keine Rolle, ob diese Konsequenz der Tarifeinheit explizit im Gesetz stehe oder nicht. "Ein Arbeitskampf darf sich nach oberster Rechtsprechung immer nur auf die Durchsetzung eines tariflich regelbaren Ziels richten, also den Abschluss eines Tarifvertrages", erläuterte Henke, der zugleich CDU-Abgeordneter ist.

Sobald der Marburger Bund aber in die Rolle einer Minderheitsgewerkschaft gedrängt werde und der MB-Ärzte-Tarifvertrag für die Kliniken nicht mehr gültig sei, "sind wir zum Stillhalten gezwungen", sagte Henke weiter. "Ein Aufruf zu Arbeitskampfmaßnahmen wäre dann grob rechtswidrig." Die Arbeitsgerichte hätten dann gar keine andere Möglichkeit, als einen Streik zu verbieten.

Diese Beschneidung des Streikrechts werde bewusst geleugnet, um den Rückhalt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für das Gesetz nicht zu gefährden, meinte Henke. Eigentlich hätte die DGB-Spitze angesichts dieser Konsequenz die Pflicht, den Gesetzentwurf abzulehnen. "Stattdessen will man den Leuten bewusst Sand in die Augen streuen, um die wahren Folgen des Gesetzes zu verschleiern", kritisierte der MB-Chef.. (dpa)