Essen. . Ein Pannen-Kraftwerk, schrumpfende Gewinne, Spannungen im Verhältnis mit kommunalen Aktionären und Beschäftigten: RWE-Konzernchef Peter Terium steht unter Druck. Vor dem Aufsichtsrat soll er seine Strategie für die Zukunft des Energieversorgers erklären.

In vergangenen Jahren traf sich die RWE-Führungsriege gerne auch im Ausland, um die Strategie des Konzerns zu besprechen. Warschau war zuletzt das Reiseziel. Wenn sich der Aufsichtsrat des angeschlagenen Energiekonzerns diesmal hinter verschlossenen Türen zurückzieht, lautet die Adresse: Essen, Opernplatz 1. Schlicht und einfach in der Konzernzentrale wird am heutigen Freitag getagt. Man darf es wohl als Signal der Bodenständigkeit werten.

Zeit durch lange Anreisen gibt es ohnehin nicht zu vergeuden. Ein Sammelsurium an Problemen liegt auf dem Tisch. „Es sind extrem viele Baustellen gleichzeitig“, seufzt ein Aufsichtsratsmitglied. RWE leidet schwer darunter, dass Braun- und Steinkohlekraftwerke durch das wachsende Angebot von Wind- und Sonnenstrom zunehmend aus dem Markt gedrängt werden. Die Betriebszeiten der klassischen Großkraftwerke werden kürzer – und die Anlagen verdienen weniger Geld als in der Vergangenheit.

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Streit um den Kündigungsschutz schwelt

RWE legt Kraftwerke still, kürzt die Kosten, streicht Stellen. Als sicher gilt, dass der Konzern in der Kraftwerkssparte das Sparziel des Programms „Neo“ von derzeit 800 Millionen Euro um mehrere Hundert Millionen Euro aufstocken will. Die Auswirkungen in Form von Stellenabbau sind noch unklar. Es gibt bereits eine konzerninterne Vermittlungsplattform namens „Switch“, die den Jobwechsel von Mitarbeitern vorantreiben soll.

Ende des Jahres endet bei RWE die Zusage, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Ob es eine neue Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung geben wird, ist ungewiss. Die Gewerkschaften Verdi und IG BCE sind alarmiert. Schwierige Tarifverhandlungen stehen bevor. Verdi hat sogar schon mit Streiks gedroht.

Traditionell ist der Einfluss von Städten wie Dortmund, Essen und Mülheim groß im Konzern. Die kommunalen Aktionäre, zu denen weitere Städte und Kreise zählen, halten insgesamt rund 25 Prozent der RWE-Anteile. In den kommunalen Haushalten wird spürbar, dass die Dividenden geringer ausfallen als in den Vorjahren.

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Diskussion über „Hartz IV für Kraftwerke“

Über ihre Stadtwerke sind zahlreiche Kommunen auch am Pannen-Kraftwerk „Westfalen“ in Hamm beteiligt. Weil es technische Probleme gibt, musste RWE die Fertigstellung des Steinkohle-Großkraftwerks nun auf unbestimmte Zeit verschieben. Die beteiligten Kommunen murren über hohe Kosten.

Entlastung angesichts der Krise in der Stromerzeugung verspricht sich RWE von der Politik. Die Branche hofft auf Geld als Belohnung dafür, dass sie Kohle- und Gaskraftwerke für Momente bereithält, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Die Fachwelt nennt das „Kapazitätsmarkt“. Doch aus der Politik gibt es skeptische Stimmen. Sigmar Gabriel, SPD-Chef und Wirtschaftsminister, sprach unlängst von „Hartz IV für Kraftwerke“. „Nicht arbeiten, aber Geld verdienen“ – so jedenfalls dürfe der „Kapazitätsmarkt“ nicht aussehen.

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RWE soll in Zukunft mit weniger Braunkohle auskommen

Die Braunkohle spielt für RWE eine entscheidende Rolle. Doch der heimische Energieträger ist angesichts der schlechten Klimabilanz besonders umstritten. Die rot-grüne NRW-Landesregierung hat sich unlängst auf die Verkleinerung des Braunkohle-Abbaugebiets „Garzweiler II“ geeinigt.

Ob sich RWE selbst aus der Krise kämpfen kann, bleibt abzuwarten. Besonderes Augenmerk dürfte beim Treffen der Aufsichtsräte auf Konzernchef Peter Terium liegen. Sein Vertrag läuft bis Ende August 2016. Er stehe gewiss „unter besonderer Beobachtung“ der Anteilseigner, sagt ein Aufsichtsratsmitglied. Mit Spannung werde erwartet, ob es Terium gelingt, ein überzeugendes Bild von der Zukunft des Konzerns zu zeichnen.