Essen. . Der Energiekonzern RWE fährt Kraftwerksblöcke herunter, streicht Stellen, fordert weitere Einsparungen der Beschäftigten. Ende des Jahres endet die Zusage, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Die Gewerkschaft IGBCE ist besorgt, sagt Vorstandsmitglied Ralf Sikorski in unserem Interview.

„RWE befindet sich zweifellos in einer sehr schwierigen Situation“, sagt IGBCE-Vorstandsmitglied Ralf Sikorski, der auch im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt. Im Interview äußert sich Sikorski zu Fehlern der Vergangenheit und Stellenstreichungen in der Zukunft – und zum Streit zwischen den Gewerkschaften Verdi und IGBCE.

Herr Sikorski, die Lage beim Essener Energiekonzern RWE ist angespannt. Trotzdem streiten die beiden für das Unternehmen zuständigen Gewerkschaften Verdi und IGBCE. Muss das sein?

Ralf Sikorski: Nein. Wir sind nicht glücklich mit der Situation. Und wir brauchen schnell Geschlossenheit im Arbeitnehmerlager. Das sind wir den Beschäftigten schuldig.

Wie kam es überhaupt zu dem Konflikt im Gewerkschaftslager?

Sikorski: Mit RWE hat die Sache faktisch nichts zu tun. Einige Beschäftigte des Netzbetreibers Tennet sind bei Verdi ausgetreten und bei der IGBCE eingetreten. Nicht mehr und nicht weniger ist passiert. Wir haben niemanden abgeworben. Aber Verdi hat einseitig die Tarifgemeinschaft aufgekündigt.

Auch interessant

Nun sind die Tarifgemeinschaften von Verdi und IGBCE im Energiesektor ausgesetzt, also auch bei RWE und Eon. Dabei wird bei RWE gerade über den auslaufenden Kündigungsschutz verhandelt.

Sikorski: Umso wichtiger ist, den Konflikt schnell zu lösen. Reibungsverluste auf der Gewerkschaftsseite können wir uns nicht leisten. Ich spüre auch vor Ort bei den Arbeitnehmervertretern von RWE, dass es ein hohes Interesse gibt, schnell zur Einigkeit zurückzufinden.

RWE fährt Kraftwerksblöcke herunter, streicht Stellen, fordert weitere Einsparungen der Beschäftigten. Ende des Jahres endet die Zusage, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Wie ernst ist die Lage im Konzern?

Sikorski: RWE befindet sich zweifellos in einer sehr schwierigen Situation. Dass es immer schwerer wird, konventionelle Kraftwerke rentabel zu betreiben, erfüllt uns mit großer Sorge. Wir sehen auch die Politik gefordert, mehr für eine sichere Stromversorgung und den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Energiebranche zu tun. Um es klar zu sagen: Wir brauchen noch viele Jahre lang moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke in Deutschland.

Welche Fehler sind im Unternehmen passiert? Die aktuelle Krise bei RWE gibt es doch nicht ohne Grund.

Sikorski: Ende der 90er-Jahre wurde im Management sicherlich unterschätzt, wie stark sich die Energiewirtschaft bis heute verändern würde. Es wurde Zeit verspielt, und es wurden Chancen vertan. Jetzt muss das Unternehmen unter sehr schwierigen Bedingungen die Strategie anpassen.

Befürchten Sie weiteren Stellenabbau?

Sikorski: Wir wollen ein neues Beschäftigungssicherungspaket. Da der bisherige Vertrag Ende des Jahres seine Gültigkeit verliert, brauchen wir zeitnah eine Anschlusslösung. Mein Appell an die Unternehmensführung ist, auch künftig auf die Beteiligung der Beschäftigten zu setzen. Wir können die großen Probleme bei RWE nur dann bewältigen, wenn die gute Kultur der Mitbestimmung nicht über Bord geworfen wird. Wir warnen davor, vorschnell weitere Kraftwerke vom Netz zu nehmen und Fakten zu schaffen, ohne genau zu wissen, in welche Richtung die Politik steuert.