Brüssel. . Die Europäische Union verschärft ihre Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Die Botschafter der 28 EU-Staaten einigten sich nach mehrtägiger kontroverser Debatte darauf, dass die neuen Sanktionen ab Freitag in Kraft treten sollen. Der Konflikt um russisches Gas spitzt sich zu.

Während die EU die nächste Stufe ihrer Sanktionen gegen Russland scharf stellt, droht es nun ernst zu werden im lange befürchteten Konflikt um das russische Gas. Polen und die Slowakei beklagten einen Rückgang der Lieferungen des russischen Gas-Monopolisten Gazprom. Der vom Kreml gesteuerte Konzern widersprach.

Darüber, ob es sich bereits um eine Reaktion auf die neuen EU-Sanktionen handelt, kann deshalb nur spekuliert werden. Die 28 EU-Staaten hatten die neuen Strafmaßnahmen bereits am Montag beschlossen, die vor allem die Energie- und Rüstungsindustrie Russlands treffen soll. Die Sanktionen wurden aber nicht sofort in Kraft gesetzt. Das wird am heutigen Freitag, auch auf Druck von Kanzlerin Angela Merkel, nachgeholt.

Sanktionen sind „umkehrbar“

Um die zarten Fortschritte im Ukraine-Konflikt nicht zu gefährden, beeilte sich Ratspräsident Herman Van Rompuy zu betonen, die neuen Sanktionen seien „umkehrbar“. Die EU will sie zurücknehmen, falls Moskau den Friedensprozess für die Ukraine unterstütze. Noch vor Monatsende will die EU dafür die Fortschritte in der Ost-Ukraine begutachten. Je nach Befund könne man die Maßnahmen „teilweise oder vollständig ergänzen, aussetzen oder aufheben“, erklärte Van Rompuy.

Die Reaktion aus Moskau ließ dennoch nicht lange auf sich warten: Der Kreml kündigte harte Gegenmaßnahmen an. Ein Sanktionspaket hat Präsident Putin nach Angaben seines Beraters Andrej Beloussow in der Schublade. Wahrscheinlich sind weitere Importbegrenzungen, vor allem für westliche Autos, was vor allem die deutsche Industrie treffen würde. Zudem war von Überflugverboten für europäische Airlines die Rede.

Meldungen über gedrosselte Gaslieferungen

Vor diesem Hintergrund kamen die Meldungen über gedrosselte Gaslieferungen zu diesem Zeitpunkt wohl nicht ganz zufällig. Der polnische Energiekonzern PGNiG teilte mit, die Gaszufuhr habe am Mittwoch um 45 Prozent unter der mit Gazprom vereinbarten Menge gelegen. Betroffen seien alle drei Gasleitungen, durch die russisches Gas über Weißrussland und die Ukraine nach Polen fließe. Auch die Slowakei klagte am Donnerstag über zehnprozentige Lieferkürzungen durch Gazprom.

Gazprom widersprach vehement: „Zurzeit wird nach Polen genauso viel gepumpt wie an den vergangenen Tagen“, versicherte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow. Und Russlands Botschafter in Berlin, Wladimir Grinin, sagte, die russischen Gaslieferungen an den Westen würden ungeachtet der Ukraine-Krise stabil bleiben.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger nimmt die Vorwürfe jedoch ernst und lässt sie prüfen. Er will nächste Woche eine detaillierte Untersuchung vorlegen, welche Folgen Versorgungsengpässe oder gar Ausfälle haben könnten. Gleichzeitig will die Kommission im Gasstreit zwischen den Nachbarn vermitteln. Man habe beiden Seiten neue Dreiergespräche für den 20. September in Berlin vorgeschlagen, sagte eine Sprecherin Oettingers.