Wiesbaden. Die Wirtschaft im Euroraum stagniert, die Krisen rund um den Globus und der Sanktionswettlauf mit Russland trüben die Stimmung. Doch der deutschen Exportwirtschaft kann das alles nichts anhaben: Sie ist im Juli stark wie nie. Das liegt nicht zuletzt am Kurs der EZB.
Das hat es selbst in der Exportnation Deutschland noch nie gegeben: Innerhalb eines Monats hat die deutsche Wirtschaft im Juli Waren im Wert von mehr als 100 Milliarden Euro ins Ausland geliefert. Und das trotz der wachsenden Sorge um die Entwicklung im Russland-Ukraine-Konflikt und der Wirtschaftsflaute im Euro raum.
Angesichts der schwierigen Bedingungen ist es kein Wunder, dass der Außenhandelsverband BGA bei aller Freude über den starken Sommermonat sogleich vor zu viel Europhorie warnt. So erfreulich der fulminante Start in die zweite Jahreshälfte sei, man dürfe ihn nicht überbewerten, sagt BGA-Präsident Anton F. Börner: "Die zahlreichen Krisenherde drücken auf die Stimmung der Unternehmer und führen zu wachsender Unsicherheit."
Große Sorge wegen Eskalation im Handelsstreit
Die Branche blicke mit großer Sorge auf die Eskalation im Ukraine-Konflikt und dem daraus resultierenden Handelsstreit mit Russland, sagt Börner: "Aber auch die weiter anhaltenden Auseinandersetzungen im Nahen- und Mittleren Osten belasten die weitere weltwirtschaftliche Entwicklung."
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Ist der Rekord-Juli mit einem Exportplus von 8,5 Prozent zum Vorjahr auf 101 Milliarden Euro also nur eine Eintagsfliege? DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sieht jedenfalls "Enttäuschungspotenzial". Der Juli sei nach den eher behäbigen Vormonaten - das erste Halbjahr brachte dem Außenhandel ein Plus von 2,4 Prozent zum Vorjahr - wohl eher ein Ausreißer nach oben.
"Himmel ist eher grau als schwarz"
Schon im August dürfte ein Dämpfer folgen, vermutet Treier: "Es wird viel über Russland-Sanktionen gesprochen. Aber die Einschränkungen werden erst zum 1. August wirksam." Daher solle man den Tag nicht vor dem Abend loben: "Das Umfeld bleibt schwierig." Immerhin: "Nach dem Sonnenschein im Juli ist der Himmel nun eher grau als schwarz."
Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater ist zuversichtlicher: "Die Weltwirtschaft hat sich gefangen - von China bis in die USA. Der deutsche Export wird davon profitieren." Die Russland-Ukraine-Krise bremse die hiesige Konjunktur vor allem über sinkende Investitionen, weil die Zuversicht der Unternehmer schwinde. Die Ausfuhren seien weniger betroffen, denn die Exportanteile Russlands und der Ukraine seien überschaubar. Allerdings lenkt auch Kater ein: "Eine Eskalation der Wirtschaftssanktionen könnte die Konjunktur empfindlich treffen."
Ausfuhren um ein Drittel eingebrochen
Im ersten Halbjahr waren die Exporte nach Russland um 15,5 Prozent, in die Ukraine um fast ein Drittel eingebrochen. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft fürchtet, dass sich dieser Trend wegen der Wirtschaftssanktionen noch beschleunigen werde: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir am Ende des Jahres im Russlandhandel bei einem Exportminus von 20 bis 25 Prozent ankommen werden", hatte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes Ende August gewarnt.
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Bislang konnten die exportstarken Industriebranchen wie Maschinenbau und Autoindustrie dieses Minus ausgleichen. Auch die Juli-Zahlen deuteten darauf hin, dass mögliche Exportverluste in geopolitische Krisenregionen von stärkeren Warenausfuhren in andere Absatzländer überkompensiert wurden, sagt BayernLB-Ökonom Johannes Mayr: "Gemessen an den aktuellen Konjunkturdaten dürfte die sich belebende US-Binnenkonjunktur hier eine wichtige Rolle gespielt haben."
Deutsche Produkte werden am Weltmarkt billiger
Daran wird sich aus Sicht der Bundesbank so schnell nichts ändern. "Die Weltwirtschaft scheint gut in das zweite Halbjahr gestartet zu sein. Im Hinblick auf die Industrieländer sollte die wirtschaftliche Entwicklung im dritten Quartal wieder nach oben zeigen." Die US-Wirtschaft dürfe auf Expansionskurs bleiben, und auch für den Euroraum zeichne sich nach der Stagnation im Frühjahr wieder ein kleines Plus ab. All das würde den deutschen Exporteuren helfen.
Und auch von anderer Seite weht ein kräftiger Rückenwind: Durch die Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank hat der Euro zum Dollar kräftig abgewertet. Dadurch werden deutsche Produkte am Weltmarkt billiger. "Die schwächere Währung wird dem Außenhandel Auftrieb geben", sagt Kater.
Treier sieht durch den gesunkenen Wechselkurs ebenfalls Auftrieb für die Exportnation Deutschland: "Damit kann sich der deutsche Export in einem schwierigen Umfeld behaupten." Große Sprünge erwartet der Experte indes nicht: Er traut dem deutschen Außenhandel 2014 nur noch 3 Prozent Wachstum zu. Zu Jahresbeginn hatte der DIHK noch ein sattes Plus von 5 Prozent prognostiziert. (dpa)