Essen. Die Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko wird Karstadt komplett übernehmen - und das schon in Kürze. Das meldete Spiegel Online am Donnerstag unter Berufung auf Verhandlungskreise. Schon in den vergangenen Tagen war über einen solchen Schritt spekuliert worden.
Es sind schwere Zeiten für die 17 000 Beschäftigten der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt. In der kommenden Woche will der Aufsichtsrat des Unternehmens über einen neuen Sanierungsplan beraten, der nach den Worten der Konzernführung "keine Tabus" mehr kennen soll. Dann könnte bereits ein neuer Eigentümer das Sagen bei der traditionsreichen Warenhauskette haben: der österreichische Immobilieninvestor René Benko.
Nach Informationen von "Spiegel Online" soll der Österreicher bereits Anfang kommender Woche die bislang noch dem Investor Nicolas Berggruen gehörenden 83 Warenhäuser übernehmen. Das Nachrichtenportal berichtete am Donnerstagabend unter Berufung auf Verhandlungskreise, die Entscheidung über den Verkauf sei gefallen. Berggruen werde sich vollständig aus dem Karstadt-Konzern zurückziehe, hieß es. Geld fließe bei der Transaktion nicht. Weder von der Signa-Gruppe noch vonseiten Berggruens war auf dpa-Anfrage allerdings eine offizielle Stellungnahme zu dem Bericht zu erhalten.
Taktische Erwägungen bestimmen die Informationspolitik
In den vergangenen Tagen hatten sich bereits die Gerüchte über einen Eigentümerwechsel bei Karstadt überschlagen. Berggruen habe ihn zur Hilfe gerufen, zitierte das österreichische Wirtschaftsmagazin "Format" Immobilien-Investor Benko. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, hieß es da allerdings noch. Und aus den Beteiligtenkreisen kamen gegensätzliche Signale über den Stand der Dinge.
Die Vermutung liegt nahe, dass auf beiden Seiten taktische Erwägungen die Informationspolitik bestimmten. "Ich könnte mir vorstellen, dass Berggruen versucht, durch gezielte Indiskretionen über die Verhandlungen Druck auf Benko auszuüben, um endlich Karstadt loszuwerden", spekulierte etwa der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg noch am Donnerstag.
"Benko geht es um die Immobilien"
Tatsächlich stellt sich die Frage, warum Benko angesichts der anhaltend roten Zahlen überhaupt eine Übernahme der kompletten Warenhauskette wagen sollte. Allerdings gehört seiner Signa-Gruppe bereits die Mehrheit an den Karstadt-Sporthäusern und den Premium-Häusern. Außerdem besitzt er bereits zahlreiche Karstadt-Immobilien. "Benko muss abwägen, ob es für ihn sinnvoll ist, das Risiko einzugehen, bei Karstadt einzusteigen, um seine bisherigen Investitionen zu schützen", meinte deshalb Roeb.
Branchenkenner sind sich einig, dass ein Einstieg von Benko für Karstadt gravierende Änderungen mit sich bringen würde. "Benko geht es um die Immobilien. Er ist bestimmt nicht daran interessiert, langfristig ein Warenhaus zu betreiben", meinte etwa der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein.
Karstadt-Beschäftigte zum Zusehen verdammt
Roeb ist überzeugt, Benko habe kein Problem Geld in die Hand zu nehmen, um seine Ideen zu verwirklichen. "Das muss aber nicht unbedingt die Weiterexistenz von Karstadt als klassisches Warenhaus, wie wir es kennen, bedeuten. Am Ende wäre vielleicht das Karstadt-Schild weg, aber Einkaufsstätten und Arbeitsplätze wären noch da", sagt er.
Die 17 000 Karstadt-Beschäftigten können bei dem Poker um ihre Zukunft zurzeit nur zusehen. "Wir sitzen ja nicht mit am Verhandlungstisch. Wir warten ab, in welche Richtung sich das entwickelt", sagt der Karstadt-Betriebsratsvorsitzende Hellmut Patzelt. Unabhängig vom Namen des Eigentümers halte die Belegschaft aber an ihrer Forderung nach Standort- und Arbeitsplatzgarantien für alle Beschäftigen fest. (dpa)