Berlin. . Der vermeintliche Vorstoß der drei Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW, ihre Atomkraftwerke in eine bundeseigene Stiftung einzubringen, hat viel politischen Wirbel ausgelöst. Die Abwicklung der Atommeiler könnte auch Gewinn abwerfen. Einige Fragen und Antworten.

Am Vorschlag, die deutsche Atomindustrie zu verstaatlichen, scheiden sich die Geister. „Die Idee finde ich jetzt erstmal nicht schlecht“, kommentierte IGBCE-Chef Michael Vassiliadis. Die Bundesregierung wies den Plan dagegen zurück. Welche Vor- und Nachteile könnte es bringen, wenn unter anderem die Kernkraftwerke einer Stiftung gehörten? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum machen die Atomkonzerne einen solchen Vorschlag?

Wenngleich Eon, RWE und EnBW zu dem Vorschlag am Montag nichts sagen wollten, lässt sich ihre Lage so beschreiben: Die Kernkraftwerke sind weniger ausgelastet, ihr Gewinn sinkt, weil mehr Ökostrom produziert wird. Außerdem haben die Vorstände Sorgen wegen der hohen Kosten, die der Abriss der Anlagen und der Bau des Endlagers für stark strahlenden Müll verursachen werden.

Hätte der Staat Vorteile?

Die Idee ist offenbar, eine öffentliche Stiftung zu gründen, die bis zum Ausstieg 2022 die AKW betreibt, ihren Abriss organisiert und das Endlager für Atommüll errichtet. Als Gegenleistung müssten die Unternehmen Milliardenwerte auf die Stiftung übertragen. Aus diesen Einnahmen würde die Abwicklung der Atomindustrie finanziert.

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Welche Werte erhielte die Stiftung?

Wenn der Stiftung die Nuklearanlagen gehörten, erhielte sie die Erlöse aus dem Stromverkauf. 2011 schätzte die Investmentbank Lazard diese Einnahmen auf 15 Milliarden Euro. Die Summe könnte aber geringer ausfallen, da der Verkaufspreis seitdem um etwa 20 Prozent gesunken ist. Zweitens würden die Firmen 36 Milliarden Euro an Rückstellungen für die Entsorgung des Atommülls auf die Stiftung übertragen. Weil die Mittel zum Teil in Kohle- und Gaskraftwerken angelegt sind, müssten auch diese womöglich in die Stiftung eingebracht werden. Drittens könnten die Konzerne auf Klagen gegen die Bundesregierung verzichten, etwa wegen des schnellen Atomausstiegs. Das könnte der Regierung bis zu 15 Milliarden Euro ersparen. Zusammen beliefen sich die finanziellen Vorteile für den Staat auf 66 Milliarden Euro.

Wie hoch wären die Kosten?

Die Verschrottung und Entsorgung von 17 Atomkraftwerksblöcken wird auf etwa 25 Milliarden Euro geschätzt. Dabei stellt sich aber die Frage, wer die weiteren Kosten für die 13 Blöcke übernimmt, die laut Atomforum bereits abgebaut werden. Hinzu kommen die Ausgaben für die Erkundung und Errichtung des Atomendlagers. Diese können bis zu 30 Milliarden betragen. Die Kosten würden sich damit auf 55 Milliarden summieren. Unter dem Strich würde die Stiftung einen Gewinn von elf Milliarden Euro machen. In dieser groben Rechnung stecken allerdings viele Risiken. Deshalb könnte der Staat am Ende auch Verluste macht.

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Was will die Regierung?

Im Koalitionsvertrag steht, dass die Regierung eine Garantie der AKW-Betreiber für die Rückstellungen erreichen will. Denn es gibt Zweifel, ob die 36 Milliarden Euro wirklich vorhanden sind, wenn sie gebraucht werden. Eine Frage lautet: Ist der gebeutelte RWE-Konzern in der Lage, seinen Anteil von zehn Milliarden aufzubringen? Ein öffentlich kontrollierter Abrissfonds könnte die Rückstellungen sichern. Interesse an der Übernahme der AKW hat die Regierung aber bisher nicht geäußert.

Existiert ein Vorbild?

Die private, aber staatlich kontrollierte RAG-Stiftung wickelt den Steinkohle-Bergbau ab. Gleichzeitig trägt sie die Ewigkeitskosten – sie finanziert etwa, dass alte Stollen gefüllt werden, damit die Wohnhäuser darüber nicht einstürzen. Tun kann sie das, weil ihr die Ruhrkohle AG und der profitable Chemiekonzern Evonik gehören. Dessen Gewinne finanzieren Abwicklung und Sicherung der Bergwerke. Bisher funktioniert das Modell.