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Die drei großen Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW wollen offenbar ihr gesamtes deutsches Atomgeschäft an den Bund übertragen. Ihre Kernkraftwerke sollen einem „Spiegel“-Bericht zufolge in eine öffentlich-rechtliche Stiftung eingebracht werden, die die Kernkraftwerke dann bis zum endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2022 betreibt, berichtet das Magazin unter Berufung auf Konzern- und Regierungskreise. Damit würde zumindest ein Teil der Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke sowie sämtliche Risiken auf den Steuerzahler übergehen. Im Gegenzug sollen die bereits gebildeten Rückstellungen für den Rückbau ebenfalls in der Stiftung aufgehen.
RWE aus Essen wollte den Bericht gestern nicht kommentieren. Es handele sich um Gerüchte und Spekulationen, mehr nicht. Die für Reaktorsicherheit und Endlagerung zuständige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wies die Überlegungen der Konzerne derweil umgehend zurück. „Die uneingeschränkte Verantwortung für den sicheren Auslaufbetrieb, die Stilllegung, den Rückbau und die Zwischenlagerung des Atommülls liegt bei den Energieunternehmen. Diese haben uneingeschränkt sämtliche Kosten der Stilllegung, des Rückbaus sowie der Endlagerung zu tragen.“
Überlegungen sindzweieinhalb Jahre alt
Dazu dienten die Rückstellungen der Unternehmen in Milliardenhöhe, die zeitgerecht und sicher zur Verfügung stehen müssten. „Die volle Kostenverantwortung liegt damit bei den Unternehmen“, sagte Hendricks. Aus dem Ministerium hieß es ergänzend, Gespräche über eine solche Stiftung habe es bisher nicht gegeben.
Die Überlegungen sind zweieinhalb Jahre alt und ursprünglich von der Investmentbank Lazard entwickelt worden. Lazard ist mit dem Plan dem Vernehmen nach in der Politik und bei den Konzernen vorstellig geworden. Konkrete Verhandlungen darüber habe es nicht gegeben, am Rande sei das Thema angeschnitten worden.
Wie es im „Spiegel“ weiter hieß, soll die Stiftung für den milliardenteuren Abriss der Atomkraftwerke und die Lagerung der radioaktiven Abfälle verantwortlich sein. Zudem soll sie die restlichen Kernkraftwerke bis zum endgültigen Ausstieg 2022 betreiben. Gehören soll die Stiftung, eine Art Bad Bank für Atomkraftwerke, dem Bund. Die Stromversorger wollten rund 30 Milliarden Euro an Rücklagen einbringen, die sie für Abriss und Entsorgung bislang gebildet haben. Der Staat soll im Gegenzug die gesamten Risiken übernehmen, die heute noch bei den Konzernen liegen. Diese wollten in Kürze mit ihrem Plan auf die Politik zugehen.
Gegenstand entsprechender Verhandlungen sollten nicht nur die 30 Milliarden für Rückbau und Entsorgung sein, sondern auch der mögliche Verzicht auf Klagen in Sachen Atomgesetz und Brennelemente-Steuer. Das Finanzgericht Hamburg hatte jüngst die Brennelementesteuer als verfassungswidrig eingestuft, RWE und Eon können zusammen auf 2,2 Milliarden Euro Rückzahlung hoffen. Zudem wollen die Betreiber vor dem Bundesverfassungsgericht Schadenersatz wegen des beschleunigten Atomausstiegs durchsetzen.
Scharfe Kritik kam auch von Schleswig-Holsteins Energieminister, Robert Habeck (Grüne). „Die Industrie hat sich an der Atomenergie eine goldene Nase verdient. Der Gesellschaft nun die Kosten für die Entsorgung aufbürden zu wollen, ist schäbig.“