Essen. . Autos, Maschinen, Chemie – es sind vor allem die Produkte der Industrie, die Deutschland so stark erscheinen lassen. Doch nicht nur die allseits geschätzte Ingenieurskunst macht die Bundesrepublik in vielen Bereichen zu globalen Branchenführern. Auch mit seiner einzigartigen Orchesterlandschaft spielt Deutschland die erste Geige. Nach mehreren Nullrunden erhalten die knapp 10.000 Orchestermusiker Musiker nun mehr Geld.

Autos, Maschinen, Chemie – es sind vor allem die Produkte der Industrie, die Deutschland so stark erscheinen lassen, dass manche Nachbarn nur noch mit hochgezogenen Augenbrauen applaudieren angesichts des deutschen Großauftritts auf dem Weltmarkt.

Doch nicht nur die allseits geschätzte Ingenieurskunst macht die Bundesrepublik in vielen Bereichen zu globalen Branchenführern. Auch mit seiner einzigartigen Orchesterlandschaft spielt Deutschland die erste Geige. Exakt 131 klassische Orchester gibt es von Kiel bis München – kein anderes Land hat auch nur annähernd so viele. Rund ein Viertel aller weltweit existierenden professionellen Sinfonie- und Opernorchester sind hier beheimatet: Dominanz in Dur.

Doch wie es so ist mit Musik und Maschinen, harte Euro verdienen lassen sich vor allem mit letzterem, während das erstere maximal als weicher Standortfaktor gilt. Und weil im Herkunftsland von Bach, Beethoven und Brahms besonders bei der öffentlichen Hand der Rotstift den Takt angibt, sähe manch’ einer Deutschlands Orchester gern als Weltkulturerbe unter Artenschutz gestellt.

Muisker der Neuen Philharmonie Westfalen könnten leer ausgehen

Denn Weltkultur kostet. Seit diesem Jahr wieder ein bisschen mehr. Bühnenverband und Orchestervereinigung haben sich nach mehreren Nullrunden Ende April auf eine neue Vergütungsordnung für die knapp 10.000 Musiker geeinigt, die in den bundesdeutschen Sinfonie- und Opernorchestern an den Pulten sitzen und überwiegend bei Ländern und Kommunen beschäftigt sind. Zwischen knapp drei und 3,5 Prozent mehr Lohn erhalten die Musiker in Anlehnung an die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst. Die Gehaltserhöhungen treffen auch die Kulturetats der finanziell auf dem letzten Loch pfeifenden Ruhrgebietskommunen empfindlich. Immerhin: Revierstädte wie Dortmund haben sich längst vorbereitet und Rückstellungen getroffen. Nur die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen drohen leer auszugehen. Die Trägerstädte Recklinghausen und Gelsenkirchen sowie der Kreis Unna wollen aus dem Tarif aussteigen - wegen klammer Kassen.

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Wegrationalisieren kann man Orchesterstellen kaum. „Für eine Sinfonie von Gustav Mahler brauchen sie nun mal 90 Musiker“, weiß Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) in Berlin. Wer in diesem personalintensiven Bereich spürbar sparen wolle, müsse Orchester zusammenlegen oder sie gleich ganz auflösen. Das geschah vor allem nach der Wiedervereinigung. Bei der ersten gesamtdeutschen Zählung im Jahr 1992 gab es noch 168 Kulturorchester mit insgesamt über 12.000 Planstellen. 19 Prozent davon gingen bis heute verloren – hauptsächlich in den neuen Bundesländern. Ein Streichkonzert gab es aber auch im Revier: Oberhausen löste Oper und Orchester 1992 auf. 1996 fusionierten Gelsenkirchen und Recklinghausen. Doch Mertens sieht die Lage nun stabilisiert.

Keine überspannten Gehälter

Ein Wirtschaftsfaktor sind die Orchester so oder so – auch wegen ihrer zigtausend Arbeitsplätze. Musiker rangieren im Einkommen zwischen Grundschullehrern und Hochschulprofessoren. Aber sie sind weder verbeamtet noch gibt es Sonn- und Feiertagszuschläge. Die Vergütungstabelle beginnt in kleineren Orchestern bei rund 2400 Euro brutto im Monat. Bei großen, sogenannten A-Orchestern wie den Dortmunder und Essener Philharmonikern kann man mit einer Grundvergütung von 4200 Euro nach Hause gehen. Zulagen in Höhe von einigen Hundert Euro erhalten beispielsweise Solo-Bläser.

Es gibt schlechter bezahlte Jobs. Doch das Einkommen relativiert sich, wenn man bedenkt, dass Musiker ihr Instrument vom Kindesalter an lernen mussten und das Studium so aufwändig ist wie Medizin. Selbst in Orchestern, die wie die Berliner oder Münchener Philharmoniker zu den besten der Welt gehören, zahlt man keine überspannten Gehälter. 7000 Euro Monatssalär erhält ein Geiger bei den Berlinern. Und die werden weltweit gehandelt wie die S-Klasse.