Berlin. Frauen verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Die wichtigste Ursache ist die Erwerbsbiografie mit Teilzeitjobs oder Erziehungszeiten. Stephanie Bschorr gehört zu den Unternehmerinnen, die nicht zusehen wollen, dass Frauen nach der Familienpause ins berufliche Aus geraten.
Sieben Jahre war sie raus aus dem Job, wegen der Kinder. Jetzt arbeitet sie wieder als Anwältin. „Meinst du, ich kann das überhaupt noch?“, hat sie ihre Chefin gefragt. Stephanie Bschorr hat ihr Mut gemacht. Sie gehört zu den Unternehmerinnen, die nicht zusehen wollen, dass Frauen nach der Familienpause ins berufliche Aus geraten. Mit den bekannten Folgen: Erst weniger Lohn, später weniger Rente. In Deutschland verdienen Männer im Durchschnitt rund 22 Prozent mehr als Frauen. Schuld daran sind vor allem niedrige Gehälter in typischen Frauenberufen, lange Familienpausen und Teilzeitjobs. Wer die Lohnlücke schließen will, muss die Lebensläufe der Frauen umschreiben.
Stephanie Bschorr führt eine Berliner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ist Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) mit 1600 Mitgliedern und insgesamt 500.000 Beschäftigten. Für ihre Verbandskolleginnen legt sie die Hand ins Feuer: „Wir zahlen gleiches Geld für gleiche Arbeit.“ Aber: Wenn jemand lange aus dem Job aussteigt, müsse er eben damit rechnen, das andere bei Aufgaben und Gehalt an ihm vorbeizögen.
Sinneswandel bei den Chefs
Bschorr allerdings beobachtet gerade einen Sinneswandel bei den Chefs – zumindest bei kurzen Familienpausen: „Ein Jahr Elternzeit wird heute von vielen genauso honoriert wie ein Jahr im Ausland.“ Eltern, die aus der Babypause kommen, hätten schließlich einen Intensivkurs in Belastbarkeit und Management gemacht. Doch viele Frauen pausieren länger – gerade dann, wenn noch weitere Kinder kommen sollen. Frauen verdienen in Deutschland rund 22 Prozent weniger als Männer. Um rechnerisch den gleichen Durchschnittsverdienst zu haben, müssten sie knapp drei Monate lang über den Jahreswechsel hinaus weiterarbeiten – erst am jetzigen Freitag ist der „Equal Pay Day“ erreicht.
Die wichtigste Ursache für die große Lohnlücke liegt in den Berufsbiografien. Jobpausen und längere Teilzeitphasen, um Kinder großzuziehen oder Alte zu pflegen, werfen Frauen beim Gehalt zurück. Auch die Berufswahl spielt eine Rolle: Schlecht bezahlte Jobs in typischen Frauenberufen mit fehlenden Aufstiegsschancen vergrößern die Lohnunterschiede – in der Pflege oder an der Kasse. Hinzu kommt: Frauen gehen oft bescheidener in Lohnverhandlungen, pokern seltener um bessere Gehälter und geben sich öfter mit Jobs zufrieden, die zwar schlechter bezahlt, aber sicherer sind und mehr Zeit für die Familie lassen, etwa im öffentlichen Dienst.
Nach Berechnungen des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) schrumpft die Lohnlücke bei Frauen, die sich von ihren männlichen Kollegen lediglich darin unterscheiden, dass sie eine Babypause von maximal 18 Monaten gemacht haben, auf nur noch zwei Prozent.
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30-Stunden-Woche als Normallfall?
Die Berufsbiografien von Frauen ändern, um die Lücke zu schließen, ist einfacher gesagt als getan. Und vor allem: Wollen die Frauen das überhaupt? Die Hälfte der Frauen mit Teilzeitjobs möchte nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ihre Arbeitsstunden erhöhen. Der DGB fordert daher neue Teilzeitmodelle – weg von der Halbtagsstelle, hin zur vollzeitnahen Beschäftigung. Dazu müsse es einen Rechtsanspruch auf individuelle Arbeitszeitmodelle auch bei Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten geben.
Familienexperten fordern seit Langem die 30-Stunden-Woche zum neuen Normalmodell für Mütter und Väter zu machen. „Gute Idee“, sagt auch Unternehmerin Bschorr. Doch als Verbandschefin mit vielen mittelständischen Unternehmen warnt sie gleichzeitig: „Wenn ein Mitarbeiter sagt, er macht jetzt nur noch 80 Prozent, können das kleinere Unternehmen nicht von heute auf morgen stemmen.“ Der VdU setzt auf ein anderes Mittel gegen die Lohnlücke: ein Jahr Babypause – mehr nicht. „Es darf nicht sein, dass die guten Frauen alle nicht zurückkommen.“