Berlin. . Wie geht es den Deutschen? Auf 425 Seiten fasst das Statistische Bundesamt die sozialen Befindlichkeiten der Bevölkerung zusammen. Die Schlussfolgerung des Reports: Nie zuvor standen mehr Menschen in Lohn und Brot - und gleichzeitig waren nie zuvor soviele von Armut bedroht. Die Ergebnisse im Überblick.
Wie geht es Deutschland und den Deutschen? Wie gesund fühlt sich das Land? Und welche Auswirkungen haben die sozialen Umstände auf das politische Engagement? Auf 425 Seiten versucht das Statistische Bundesamt, auf solche Fragen eine Antwort zu geben. Die Schlussfolgerung, die der „Datenreport 2013“ zieht: Es gibt viel Licht. Nie zuvor haben bei uns so viele Menschen einen Job gehabt. Aber auch viel Schatten. Nie zuvor waren so viele von Armut bedroht.
Das Jobwunder
Es gibt es. 41,5 Millionen haben (Stichjahr 2012) einen Job. 2,8 Millionen mehr als 1991 und „so viel wie nie zuvor“, sagt Roderich Egeler, Chef des Statistischen Bundesamtes. Der Anstieg auf die Rekordhöhe hält jetzt im siebten Jahr an – und hat nicht einmal gestoppt, als 2009 die Wirtschaftskrise über das Land hereinbrach. „Der deutsche Arbeitsmarkt“, glaubt Egeler, „ist in guter Verfassung“,.
Die Kehrseite
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Mehr Jobs ja, aber die Deutschen arbeiten weniger. „Die Zahl der von jedem Erwerbstätigen durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden ist in den letzten 20 Jahren fast kontinuierlich gesunken“, haben die Statistiker herausgefunden. Oder in Zahlen: 1991 hat jeder Erwerbstätige 1552 Stunden im Jahr gearbeitet. 2001 waren es nur noch 1453 Stunden. Und heute ist ein Tiefstand zu melden: 1339 Arbeitsstunden.
Thema Teilzeit
Woran das liegt? „Die Arbeit wird auf mehrere Schultern verteilt“, sagt Egeler. Denn die zunehmende Zahl der Erwerbstätigen arbeitet „gewollt oder unfreiwillig“ in Teilzeit. „Zudem haben auch andere Formen atypischer Beschäftigung zugenommen“ – wie befristete Arbeit, Teilzeit unter 21 Wochenstunden und Zeit- und Leiharbeit. Ein Trend, der schon seit 1993 anhält und der vor allem junge Menschen und Frauen betrifft, von denen je 33 Prozent in solchen Arbeitsformen tätig sind. Männer sind noch klassisch beschäftigt. Nur 12 Prozent arbeiten „atypisch“.
Die Folgen des janusköpfigen Booms
Als arm gilt, wer über weniger als 980 Euro im Monat verfügt. 2007 lag der Anteil der Bevölkeruung, der in diese Gruppe gerechnet werden konnte, bei 15,2 Prozent. Heute sind es schon 16,1 Prozent. „Das Armutsrisiko von Frauen ist über alle Altersgruppen hinweg höher als das von Männern“, und auch jeder fünfte zwischen 18 und 24 ist armutsgefährdet, sagt das Statistische Bundesamt. Eine Tendenz, die also zu den Aussagen zur atypischen Beschäftigung passt. Doch auch die ältere Bevölkerung kennt Armut. Das Risiko ist innerhalb von vier Jahren angestiegen – von 17,7 auf 20,5 Prozent.
Wo wird denn noch gut verdient?
Es gibt nicht nur unterschiedliche Beschäftigungsformen, sondern auch riesige Einkommensdifferenzen in Deutschland. Die Hamburger verdienen mit 21,83 Euro am besten, die Thüringer und Mecklenburger mit 14,78 Euro am schlechtesten. Nordrhein-Westfalen hält eine überraschend gute Position.auf Platz vier des Lohn-Rankings: 20,27 Euro im Schnitt. Da hat sogar Bayern das Nachsehen (20,20 Euro). Als Niedriglohn gilt übrigens ein Stundenlohn von 10,36 Euro (Stand 2010), der damit noch deutlich über den diskutierten 8,50 Euro Mindestlohn liegt. Knapp 21 Prozent aller Arbeitnehmer haben einen Verdienst unter dieser Grenze.
Wie gesund sind wir?
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Im Allgemeinen: Gesund wie selten zuvor. Jedenfalls leben die Deutschen heute richtig lang. In NRW zum Beispiel – mit 77,3 Jahren Sterbealter im Schnitt, um 4,7 Jahre länger als noch 1991. Die Baden-Württemberger mit 78,1 Jahren sind den deutsche „Rekordhalter“ beim Alter. In den ostdeutschen Ländern hat sich seit der Einheit die Lebenserwartung erheblich erhöht, um 6,1 Jahre. Aber auch bei der gesundheitlichen Entwicklung gibt es eine Schattenseite, die das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin beleuchtet hat. Das Ergebnis: „Arme sterben früher“, sagt Robert Harbich vom Wissenschaftszentrum. „Die mittlere Lebenserwartung von Männern der niedrigsten Einkommensgruppe liegt bei der Geburt fast elf Jahre unter der von Männern der hohen Einkommensgruppe“. Bei Frauen liegt der Unterschied bei acht Jahren.
Die Zukunft der „Alten“
Statistiker und Wissenschaftler machen hier eine übereinstimmende Prognose: Nur die Rentenansprüche der gut Verdienenden bleiben einigermaßen gleich. Die anderen „sinken langfristig“, sagt das Wissenschaftszentrum. Besonders gilt das für Frauen in Westdeutschland. Sie haben, wie, sie weniger erwerbstätig waren, am Ende im Schnitt einen Anspruch auf 400 Euro Rente. In Ostdeutschland liegt der bei 650 Euro. Für Nordrhein-Westfalen macht sich das schon heute bemerkbar. Das bevölkerungsreichste Bundesland hat nach Bremen, Berlin und Hamburg den höchsten Anteil an Menschen, die aufgrund von Alter und Erwerbsminderung Grundsicherung beziehen: 14,5 Prozent. In Thüringen und Sachsen, im Osten also, sind es mit 7,3 Prozent nur halb so viele.
Sind Arme weniger politisch?
„Wer arm ist, steht gesellschaftlich im Abseits“, sagt Thomas Krüger, Chef der Bundeszentrale für Politische Bildung. Er fragt nämlich: Warum ist die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl bei der Bundestagswahl 2013 im reicheren Baden-Württemberg mit 74,3 Prozent am höchsten gewesen und im ärmeren Sachsen-Anhalt mit 60,5 Prozent am niedrigsten? „In Bundesländern mit überproportional viel Armen ist die Wahlbeteiligung niedriger“, sagt Krüger. Und wenn das stimmt, dann liegt Nordrhein-Westfalen ausweislich der letzten Landtagswahlbeteiligung (59,6 Prozent) in der ärmeren Hälfte der Republik.