Essen. Die Bundesregierung plant ein Hilfspaket für Lebensversicherer zu Lasten vieler Kunden. Wie schon Schwarz-Gelb will nun auch die Große Koalition ihre Beteiligung an den Bewertungsreserven abschaffen. Verbraucherschützer sprechen von einem “Schlag ins Gesicht.“

Mit einem milliardenschweren Hilfspaket will die schwarz-rote Bundesregierung die Lebensversicherer in Deutschland stützen. Das Geld, das die Versicherungen dann sparen würden, entginge vor allem jenen Kunden, deren Police bald ausläuft oder die sie kündigen wollen. Im Gegenzug will die Regierung sowohl dem Garantiezins als auch den Provisionen der Versicherungsmakler einen engeren Deckel überstülpen. Ein „ausbalanciertes Maßnahmenpaket“ verspricht das Finanzministerium, zu den in der Süddeutschen Zeitung genannten Details schweigt es.

Die haben es in sich. Wie bereits die frühere schwarz-gelbe Regierung rüttelt nun Schwarz-Rot an der Ausschüttung der Bewertungsreserven an die Versicherten. Nach massiven Protesten scheiterten die schwarz-gelben Pläne vor einem Jahr. Die Große Koalition nimmt nun erneut die von der Branchenlobby massiv geforderte Abschaffung dieser Ausschüttungen auf. Sie sollen laut „SZ“ bereits mit dem für März oder April geplanten Kabinettsbeschluss als Stichtag wegfallen. Versicherte, deren Verträge in diesem Jahr auslaufen, entgingen mehr als zwei Milliarden Euro.

"Schlag ins Gesicht jedes Verbraucherschützers"

Einen „Schlag ins Gesicht jedes Verbraucherschützers“ nennt das Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten. Er fordert ein Ende des „hysterischen Aktionismus“ der Regierung. Bereits im Kabinett einen Stichtag zu definieren, also Fakten zu schaffen, ohne den Bundestag geschweige denn Verbraucherschützer zu fragen, sei „ein starkes Stück, in dieser Form selten in einer Demokratie“.

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Die Bewertungsreserven sind in der Tat umstritten. Es sind rein bilanzielle Werte, die wegen der historisch niedrigen Zinsen aktuell sehr hoch sind. Langfristige Anlagen, etwa festverzinsliche Wertpapiere, die noch zu hohen Zinsen abgeschlossen wurden, gewinnen auf dem Finanzmarkt derzeit stark an Wert. So lange die Versicherer sie aber nicht verkaufen, steht der Zuwachs nur auf dem Papier. Davon, so die Argumentation, profitieren Kunden bei aktuellen Ausschüttungen über die Maßen und zu Lasten jüngerer Kunden. Die Regierung folgt dem, wenn sie mit ihren Plänen nun mehr „Generationengerechtigkeit“ verspricht.

„Den Unternehmen geht es gut, nur den Versicherten nicht“

Allerdings geht es den Konzernen zunächst darum, Milliarden zu sparen. Weil sie in früheren Jahren mit hohen Garantiezinsen Kunden geworben haben, fällt es ihnen zunehmend schwer, diese zu erwirtschaften. Marktführer Allianz konnte seinen Gewinn dennoch weiter deutlich erhöhen – auf zuletzt sechs Milliarden Euro. „Den Unternehmen geht es gut, nur den Versicherten nicht“, sagt Verbraucherschützer Kleinlein.

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Wie vor zwei Jahren stehen betroffene Kunden vor dem Problem abzuwägen, ob sich eine vorzeitige Kündigung lohnt. Dann würden sie zwar an den Bewertungsreserven beteiligt, verlören aber zum Beispiel den Schlussüberschuss für die vereinbarte Laufzeit. Auch Verbraucherschützer warnen daher von einer übereilten Kündigung. Das Problem: Die Versicherungen erwiesen sich zuletzt als nicht sehr kooperativ bei dieser Abwägung.

Urteil des Verfassungsgerichts

Die Beteiligung der Kunden an der Bewertungsreserve war auch keine Idee der Politik, sondern Folge eines entsprechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus 2005. Deshalb will der Bund der Versicherten eine Abschaffung auch nicht hinnehmen. „Wir werden dann prüfen, wie dieser einmal erkämpfte Anspruch auch künftig durchzusetzen ist“, sagt Kleinlein.

Er lässt auch nicht gelten, dass die Regierung einen Preis für ihr Entgegenkommen verlangt. Laut „SZ“ will sie die Provision für Versicherungsmakler auf drei oder 3,5 Prozent begrenzen. Dazu soll der Garantiezins von heute 1,75 Prozent nur noch maximal 1,25 Prozent betragen dürfen, was Lebensversicherungen unattraktiver machen würde. Außerdem sollen Vermittler länger haften, sprich ihre Provision zurückzahlen müssen, wenn ein Vertrag gekündigt wird.