Köln. Die Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt will einiges anders machen als ihr Vorgänger Andrew Jennings. Die neue Karfstadt-Chefin setzt auf mehr Bodenständigkeit und Alltagsnähe. Derzeit schaut sie sich in den Filialen um und arbeitet zuweilen an der Kasse oder als Verkäuferin – zum Beispiel in der Sockenabteilung.

Eva-Lotta Sjöstedt steht in der Sockenabteilung von Karstadt in Köln und beschäftigt sich mit der Frage, warum die Strümpfe in Größe 43 bis 45 in Deutschland anders als in Japan ganz oben und nicht unten hängen. Das Unternehmen hat zu einem ersten Kennenlernen eingeladen. Sjöstedts Vorgänger Andrew Jennings empfing seine Gäste gerne in seinem schicken Büro in der Essener Konzernzentrale, die neue Karstadt-Chefin unterhält sich lieber in der Sockenabteilung.

Die erste Frau an der Spitze der Warenhauskette will ganz offensichtlich ein Zeichen setzen und gibt sich betont bodenständig. Dieser Tage schaut sie sich in den Filialen um und arbeitet zuweilen an der Kasse oder als Verkäuferin – zum Beispiel in der Socken- oder Handarbeitsabteilung.

„Wenn man an der Kasse oder in der Strumpfabteilung arbeitet, hilft das dabei, dass einem klar wird, worum es in unserem Geschäft geht“, sagt die 47-Jährige, die erst vor wenigen Tagen zu Karstadt gewechselt ist und zuvor für den Möbelriesen Ikea in den Niederlanden, Japan und Dänemark gearbeitet hat. In den nächsten Wochen wolle sie sich möglichst viele der bundesweit 83 Karstadt-Filialen anschauen, erzählt Sjöstedt. Angefangen habe sie in Essen, Münster, Fulda und Köln.

Sjöstedt sieht Karstadt „in einer schwierigen Situation“

Ein neuer Stil bei Karstadt zeichnet sich ab. Während sich der Brite Jennings in Sachen Geschäftszahlen als großer Geheimniskrämer präsentierte, möchte die Schwedin Sjöstedt mehr Transparenz zulassen.

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„Wir befinden uns in einer schwierigen Situation. Da gibt es nichts zu verbergen“, räumt die neue Karstadt-Chefin ein. „Wir verlieren derzeit Geld. Daher müssen wir unser Geschäft schnell wieder profitabel machen.“ Wie es scheint, hat auch das wichtige Weihnachtsgeschäft nicht den erhofften Befreiungsschlag gebracht.

Stattdessen brodelt seit einigen Wochen wieder die Gerüchteküche. Soll Sjöstedt für Karstadt ein Zusammengehen mit dem Kölner Konkurrenten Kaufhof begleiten? Welche Pläne verfolgt Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen, der kürzlich die Mehrheit an den vergleichsweise lukrativen Premium- und Sporthäusern von Karstadt an den österreichischen Immobilieninvestor René Benko verkauft hat? „Ich konzentriere mich darauf, was ich selbst beeinflussen kann“, sagt Sjöstedt dazu lediglich. „Für Karstadt heißt das: Ich möchte gemeinsam mit den Mitarbeitern das Geschäft nach vorne bringen.“

„Es geht bei Karstadt nicht nur um Mode“

Die Strategie ihres Vorgängers Jennings will Sjöstedt an der einen oder anderen Stelle verändern. „Vieles läuft gut, manches nicht – und was gut läuft, führen wir fort. Was nicht gut läuft, werden wir verändern“, sagt sie. Während Jennings stark auf Mode, Kosmetik, Uhren und Schmuck setzte, betont die neue Chefin: „Es geht bei Karstadt nicht nur um Mode. Die Menschen erwarten zu Recht, bei uns auch die Dinge des täglichen Bedarfs zu finden. Das können auch Knöpfe sein oder Kochtöpfe.“ Außerdem wolle sie die Sortimente „stärker als bisher auf die lokalen und regionalen Bedürfnisse ausrichten“.

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Allzu viel Zeit hat Sjöstedt wohl nicht, um Karstadt wieder auf Kurs zu bringen. „Wir müssen unsere Geschwindigkeit erhöhen und noch schneller auf die Wünsche unserer Kunden reagieren“, sagt sie. Dabei wirbt die neue Geschäftsführerin auch um Vertrauen der rund 20.000 Beschäftigten, denen in der Vergangenheit regelmäßig finanzielle Opfer abverlangt worden sind. „Natürlich geht es darum, unsere Zahlen zu verbessern“, erklärt Sjöstedt, „aber das geht nur gemeinsam mit unseren Kunden und Mitarbeitern“.

Neue Karstadt-Chefin zieht nach Essen und lernt Deutsch

In Essen bezieht Sjöstedt im März eine Wohnung. Ihr Mann bleibt vorerst in Kopenhagen und kümmert sich um die 16-jährige Tochter, die noch in der dänischen Hauptstadt zur Schule geht. Wie ihr Mann und ihre Tochter werden wohl auch ihre zwei Söhne im Alter von 22 und 27 Jahren künftig häufiger ins Ruhrgebiet reisen.

Vom früheren Karstadt-Chef Jennings will sich Sjöstedt auch in Sachen Kommunikation unterscheiden. Während der Brite Jennings einen Großteil der Beschäftigten nur über Dolmetscher erreichte, spricht die Schwedin Sjöstedt schon jetzt ein wenig die Sprache ihrer Mitarbeiter und Kunden. „Ich lerne Deutsch“, sagt sie. „Das meiste verstehe ich schon ganz gut.“