Berlin. . Der Mindestlohn kommt: Die Einstiegshöhe bestimmt die Politik, dann übernehmen die Tarifpartner. Die von Union und SPD ausgehandelten Detailpläne beunruhigen neben den Arbeitgebern nun auch die Gewerkschaften. IG Metall und IG BCE bangen nun doch wieder um ihre Tarifhoheit, die Arbeitgeber um Jobs vor allem in Ostdeutschland.
Dass Deutschland einen Mindestlohn bekommt, ist keine Neuigkeit mehr. Doch nun kristallisiert sich heraus, wie es die mutmaßliche Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten anstellen will. Und gerade die Details sind es, in denen neben den Arbeitgebern nun auch die Gewerkschaften das eine oder andere Teufelchen entdecken. IG Metall und IG BCE bangen nun doch wieder um ihre Tarifhoheit, die Arbeitgeber um Jobs vor allem in Ostdeutschland.
Die Gretchenfrage, ob nun die Politiker oder die Tarifparteien über die Höhe des Mindestlohns entscheiden sollen, haben die Fachpolitiker mit einem „Sowohl als auch“ beantwortet. Den Einstieg setzt die Politik fest. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er bei 8,50 Euro liegen soll. Die Ziffer sei für die SPD „ein Glaubensbekenntnis“, weiß Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Nach dem Start soll eine Kommission aus Gewerkschaftern und Arbeitgebern dann „regelmäßig“ die Höhe anpassen.
Für die Tarifpartner gibt es im Prozedere zwei Knackpunkte: Die Macht der künftigen Mindestlohnkommission und die Frage, was mit gültigen Tarifverträgen passiert, die unter 8,50 Euro liegen.
Häufigkeit der Erhöhung unklar
Für die Kommission haben sich die Fachpolitiker darauf verständigt, dass sie aus je drei Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeber bestehen soll. Sie sollen gemeinsam einen externen Vorsitzenden benennen. In dieser siebenköpfigen Runde gibt bei Patt-Situationen die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, seine Funktion ähnelt der eines Schlichters in festgefahrenen Tarifverhandlungen. Einigt man sich nicht auf einen Vorsitzenden, entscheidet das Los, wer den Vorsitz und damit das letzte Wort innehat.
Wie oft die Kommission den Mindestlohn anpasst, ob jährlich oder etwa alle zwei Jahre, soll sie selbst entscheiden. Das birgt Konfliktpotenzial. Da ein Jahr ohne Anpassung einer Nullrunde gleichkäme, dürfte der DGB als Dachverband der Gewerkschaften an einer regelmäßigen Erhöhung interessiert sein, die Arbeitgeberseite aus naheliegenden Gründen nicht.
Doch selbst im Gewerkschaftslager gibt es abweichende Interessen. So tritt nun, wo es ernst wird, die bereits früher geäußerte Skepsis der besonders mächtigen Einzelgewerkschaften zutage. In der IG Metall geht die Sorge um, dass es für sie schwer werden könnte, Abschlüsse zu erzielen, die über denen der staatlich eingesetzten Mindestlohnkommission liegen. Davor warnt Armin Schild, IG-Metall-Chef im Bezirk Mitte und SPD-Vorstandsmitglied. „Der gesetzliche Mindestlohn muss der Entwicklung der Tariflöhne folgen und nicht umgekehrt“, sagte er der FAZ. Deshalb schlug er vor, dass die Kommission nur alle vier Jahre tage. Auch IG BCE-Chef Michael Vassiliadis hat mehrfach davor gewarnt, die Tarifhoheit der Gewerkschaften durch eine staatliche Kommission zu schwächen.
Verträge werden respektiert
Auch die Arbeitgeber pochen auf der Tarifhoheit, wenn auch aus einem völlig anderen Grund. Sie bestehen auf der Gültigkeit von Tarifverträgen, in denen Löhne unterhalb von 8,50 Euro vereinbart wurden. Davon gibt es aktuell immerhin 41, die für rund 6,8 Millionen Beschäftigte vor allem in Ostdeutschland gelten. Wie sie damit umgehen will, ließ die Arbeitsgruppe Soziales noch offen. Es spricht aber viel dafür, dass diese Verträge respektiert werden, der Mindestlohn hier also erst greift, wenn diese ausgelaufen sind. Das wirkt im Ergebnis wie ein Zeitpuffer.
Im Friseurhandwerk etwa werden derzeit 6,50 im Osten und 7,50 im Westen bezahlt. Der Branchen-Mindestlohn soll aber bis August 2015 schrittweise auf 8,50 Euro ansteigen. Ob der gesetzliche Mindestlohn schon vorher greift oder nicht, ist deshalb besonders in Ostdeutschland von großer Brisanz.