Essen. . In den USA sind gentechnisch veränderte Pflanzen längst alltäglich. Das wirkt sich auch in Deutschland aus, sagt Ursula Lüttmer-Ouazane, deutsche Geschäftsführerin des US-Branchenriesen Monsanto: „In Deutschland werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut, aber wir leben längst damit.“

Monsanto ist der größte Saatguthersteller der Welt und gilt als mächtiger Akteur im Geschäft mit Nahrungsmitteln fast überall auf dem Globus. Der börsennotierte US-Konzern beschäftigt weltweit mehr als 22.000 Beschäftigte, in Deutschland knapp 140 Mitarbeiter. Die Deutschland-Zentrale von Monsanto befindet sich in Düsseldorf.

Zu den Kunden in Deutschland zählen rund 16 Großhändler, über die das Saatgut und die Pflanzenschutzmittel von Monsanto bei den Landwirten ankommen. Besonders wichtig auf dem deutschen Markt sind für den US-Konzern Mais- und Rapssaatgut. Umsatzzahlen zu Deutschland veröffentlicht das Unternehmen nicht.

Ursula Lüttmer-Ouazane (54), Geschäftsführerin von Monsanto in Deutschland, ist unter anderem für den Bereich Kommunikation zuständig. Im Interview mit DerWesten spricht sie über den Strategieschwenk des US-Unternehmens in Deutschland. „In Deutschland werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut, aber wir leben längst damit“, sagt die Monsanto-Managerin.

Gerade genveränderte Pflanzen bescheren Monsanto gute Geschäfte, insbesondere in den USA und Südamerika. In Deutschland aber kämpfen Sie mit Gegenwind. Ihr genverändertes Saatgut ist verboten. Sind Sie frustriert?

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Ursula Lüttmer-Ouazane: Nein, insbesondere deshalb nicht, da wir weit mehr als 99 Prozent unseres Umsatzes in Europa mit konventionellem Saatgut und Pflanzenschutzmitteln generieren. Trotzdem werden wir vor allem als Biotechnologiefirma und nicht als Pflanzenzüchter wahrgenommen. An diesem Bild wollen wir arbeiten.

Vor wenigen Monaten haben Sie einen Strategieschwenk für Europa und Deutschland verkündet. Sie haben mehrere Anträge auf Genpflanzen-Anbau in der EU zurückgezogen, aber nicht alle. An der Zulassung von MON810 wollen Sie festhalten. Ist das nicht halbherzig?

Lüttmer-Ouazane: Für MON810 haben wir bereits 1998 eine Zulassung in der EU erhalten. In Ländern wie Spanien, Portugal, Rumänien, Slowakei und Tschechien werden MON810-Sorten erfolgreich angebaut. Die Vorteile von MON810 liegen auf der Hand: Die Pflanze mit MON810 ist gegen den Maiszünsler, einen weit verbreiteten Schädling, resistent. Damit steigt der Ertrag der Landwirte, während der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sinkt.

Viele Farmer in den USA bauen fast nur noch gentechnisch veränderte Pflanzen an. Warum ist das in Deutschland anders?

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Von Matthias Korfmann und Hanna Gersmann

Lüttmer-Ouazane: Es gibt große Mentalitätsunterschiede. In den USA lautet die Strategie: In der Forschung probieren wir etwas aus und korrigieren, wenn es nicht in Ordnung ist. In Deutschland dominiert eher das Vorsorgeprinzip. Für die Wissenschaft ist das problematisch. Denn in der Forschung geht es darum, einen nächsten Schritt zu gehen, ohne ganz genau zu wissen, wie der übernächste aussieht.

Was soll so problematisch daran sein, nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken zu bedenken? Welche langfristigen Folgen genveränderte Pflanzen mit sich bringen, ist längst nicht vollständig erforscht.

Lüttmer-Ouazane: Seit 30 Jahren wird gentechnisch verbessertes Saatgut getestet, zugelassen und kommerziell angebaut. Niemals hat ein Mensch dabei Schaden genommen. Im Gegenteil: Die Gesellschaft profitiert, weil mehr Nahrungsmittel produziert und dabei zum Beispiel weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen.

Spielt Monsanto Gott, wenn der Konzern durch genetische Veränderungen in die Natur eingreift?

Lüttmer-Ouazane: Monsanto spielt nicht Gott. Wir sind ganz normale Pflanzenzüchter. Seit Jahrtausenden greift der Mensch in die Natur ein. Auch unser Wald ist schon lange eine vom Menschen entwickelte Kulturlandschaft. Jeder Züchter nimmt bestehendes Material und verändert es.

Gentechnik ist längst im Alltag der Deutschen angekommen 

Wie alltäglich ist denn die Gentechnologie in Deutschland?

Lüttmer-Ouazane: In Deutschland werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut, aber wir leben längst damit. Auch bei uns werden Rinder, Schweine und Hühner mit Soja gefüttert, das aus gentechnisch verbessertem Saatgut entstanden ist. Und wenn Sie in Deutschland Rindfleisch aus Argentinien essen, können sie davon ausgehen, dass zu dem Futter ebenfalls genverändertes Soja gezählt hat.

Die Verbraucher merken nichts davon?

Lüttmer-Ouazane: Durch entsprechende Kennzeichnungsvorschriften ist vollkommene Transparenz geschaffen. Nehmen Sie das Beispiel Schokolade. Wenn Zutaten, wie zum Beispiel Lecithin aus gentechnisch verändertem Soja, einen Anteil von mehr als 0,9 Prozent enthalten würden, müsste dies gekennzeichnet werden. So ist das auch bei anderen Produkten. Die Kunden haben die Wahl, ob sie sich für oder gegen eine solche Schokolade entscheiden. Wahlfreiheit gibt es bereits jetzt.

In Deutschland sind Maissorten mit MON810 verboten. Hoffen Sie auf einen Sinneswandel in der Politik?

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Lüttmer-Ouazane: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir haben uns jahrelang um die Aufhebung des Anbau-Verbots in Deutschland bemüht. Leider bleibt es bei den oben genannten Anbauländern in der EU. Aber klar ist: Ohne Unterstützung in der Politik, bei den Landwirten und in der Bevölkerung wollen wir den Anbau von MON810 hier nicht durchsetzen.

Sie stellen auch Ihre juristischen Bemühungen in der Sache ein?

Lüttmer-Ouazane: Aus unserer Sicht ist es unrechtmäßig, dass die bereits erfolgte Zulassung der EU von Deutschland faktisch aufgehoben wird. Insofern hätten wir gute Chancen, juristisch zum Erfolg zu kommen. Aber wir benötigen auch die gesellschaftliche Akzeptanz, die nicht allein durch Rechtsverfahren erzielt werden kann.

Firmensitz von Monsanto in Deutschland ist Düsseldorf. Wie sind Ihre Drähte in die Landespolitik?

Lüttmer-Ouazane: Wie jedes Unternehmen stehen auch wir in ständigen Dialog mit unseren Kunden und auch der Politik. So bemühen wir uns derzeit auch um Gespräche zum Beispiel mit Ministerpräsidentin Kraft und Umweltminister Remmel. NRW ist ein wichtiger Standort für uns. In Borken betreiben wir eine Maiszuchtstation, wo wir unter anderem Saatgut entwickeln, das insbesondere die Produktionsbedingungen im Münsterland berücksichtigt.

Gibt es in Borken auch Forschung auf dem Gebiet der Gentechnologie?

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Lüttmer-Ouazane: Nein. Hier geht es ausschließlich um konventionelles Saatgut. Wie gesagt, in Europa fokussieren wir auf die Entwicklung auf konventionelle Mais- und Rapssorten.

Wie steht es um die Gen-Forschung in NRW?

Lüttmer-Ouazane: Wir verlieren seit zehn Jahren den Anschluss. Hochqualifizierte Biotechnologen verlassen uns Richtung USA oder Südamerika, weil es hierzulande keine geeigneten Stellen mehr gibt.

In Deutschland konkurriert Monsanto auch mit Konzernen wie Bayer und BASF, die ebenfalls Pflanzenschutzmittel oder Saatgut herstellen. Hat es ein US-Konzern besonders schwer, sich in Deutschland und Europa gegen die heimische Konkurrenz durchzusetzen?

Lüttmer-Ouazane: Ich kann nicht über Bayer oder BASF sprechen, sondern nur über Monsanto. Klar ist, dass die Skepsis in Sachen Gentechnologie die gesamte Branche betrifft. Bekanntlich hat sich auch die BASF vom Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora in Deutschland zurückgezogen.

Gibt Monsanto Deutschland als Markt für gentechnisch verändertes Saatgut für alle Zukunft auf?

Lüttmer-Ouazane: Wir lassen unsere Pläne ruhen, solange die politische Situation so verfahren ist wie derzeit. Stattdessen setzen wir vor allem auf konventionelles Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Damit haben wir jede Menge zu tun.