Essen/Berlin. . Honigproduzenten an Rhein und Ruhr betrachten mit Sorge ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Richter wiesen die Klagen von Imkern ab, die einen Schutz der Bienen vor Genmais gefordert hatten. Nun fürchten viele, der US-Konzern Monsanto könne das Urteil dazu nutzen, den deutschen Markt zu erobern.
Die nordrhein-westfälischen Imker sind alarmiert, weil das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klagen mehrerer Honigproduzenten für mehr Schutz der Insekten vor Gen-Mais abgewiesen hat. Ulrike Rohlmann vom Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker fürchtet, das Urteil komme den Anstrengungen des US-Konzerns Monsanto entgegen, gentechnisch veränderten Mais in Deutschland zu etablieren. „Wir sitzen auf einer Zeitbombe“, sagte Rohlmann, Mitgründerin des Netzwerkes Imker für gentechnikfreie Regionen, dieser Redaktion.
Der Vorsitzende des Imkerverbandes Rheinland, Dirk Franciszak, glaubt ebenfalls, dass das Urteil „Begehrlichkeiten bei der Industrie“ wecke Er droht: „Wir werden uns mit Händen und Füßen gegen diese Entwicklung wehren.“
Tatsächlich hatten Vertreter der Bundesregierung und des Monsanto-Konzerns im Verlauf der Gerichtsverhandlung erklärt, der umstrittene Gen-Mais MON 810 stünde kurz vor der Zulassung als Lebensmittel in der Bundesrepublik. „Es bestehe eine „sehr, sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine Zulassung“ der Maissorte in den kommenden Monaten, hieß es.
Karl-Heinz Bablok ist Imker – und ein großer Kämpfer
Honigbienen und Genmais — das ist aus Imker-Sicht so unvereinbar wie Feuer und Wasser. Einer, der deswegen vor Gericht zog, ist Karl-Heinz Bablok, Schwabe, Herr über 20 Bienenvölker und ein Kämpfer. Er hat sich angelegt mit dem Freistaat Bayern und Monsanto, damit sein Honig rein bleibt. So zog er bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und forderte, Imker besser vor Gen-Pollen zu schützen. Mit dem aktuellen Urteil hat er nicht gerechnet.
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Die Richter erklärten in letzter Instanz Babloks Klage für unzulässig. Da in Deutschland derzeit kein Genmais angebaut werde, könne auch kein Schutz geltend gemacht werden. Tatsächlich hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) den Anbau der Genmaissorte MON 810 im Jahre 2009 verboten. Andere zugelassene Sorten gibt es nicht. Die Imker fürchten aber, das Anbauverbot könne wieder aufgehoben werden.
340 Kilo Honig als Müll verbrannt
Der Hobbyimker hat teure Erfahrungen gemacht. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft baute auf dem staatlichen Versuchsgut Neuhof Genmais MON 810 an, nur wenige hundert Meter entfernt von Babloks Bienen. Tester werden tatsächlich fündig, und Bablok zieht vor Gericht. Er könne seinen Honig nicht mehr verkaufen, wenn er Spuren von Genmais enthält, urteilt das Augsburger Verwaltungsgericht. Bablok karrt die Jahres-Ernte, 340 Kilo Honig, zur Müllverbrennungsanlage. 2011 bestätigt der EU-Gerichtshof die Augsburger Richter.
Mit seiner Forderung, dass der Freistaat ihn vor Genmais schützen muss, unterliegt Bablok trotzdem vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht. Er legt mit vier Kollegen in Leipzig Revision ein.
Zwar ist eine Gefährdung der Gesundheit des Verbrauchers durch Genmais nicht nachgewiesen. Es gehe um anderes, sagt der Vorsitzende eines Bündnisses zum Schutz der Bienen, Thomas Radetzki: „um die Intensivierung der Landwirtschaft und die Zerstörung der Artenvielfalt“. Auf großen eintönigen Maisäckern finden seine Bienen kaum Nahrung.
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Die Imker hofften, die Richter in Leipzig würden sich zu Abständen und Schutzmaßnahmen wie dem Spannen bienendichter Netze über Genfeldern äußern. Sie taten es nicht. Falls MON 810 künftig wieder angebaut werden dürfe, sagten sie stattdessen, sei eine Zulassung der Gen-Pollen als Lebensmittel zu erwarten. Heißt: Honig mit Genpollen wäre in Deutschland legal verkäuflich.
Mächtig ist alllein der Verbraucher
Dirk Franciszak vom Imkerverband Rheinland und seine Mitstreiter finden, die Richter hätten sich vor einem klaren Urteil gedrückt. und sich hinter der Tatsache versteckt, dass MON 810 auf dem Versuchsgut Neuhof in Bayern gar nicht mehr angebaut wird. Ein Schutz dagegen sei also gar nicht mehr möglich.
Gelassener betrachtet Thomas Klüner, der oberste Imker in Westfalen-Lippe, das Leipziger Urteil. Das Gericht habe in dieser Situation kaum anders entscheiden können. Und letztlich gebe es nur eine Instanz, die den Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel verhindern könne: die Verbraucher. „Die Bevölkerung muss die Frage beantworten, ob sie solche Nahrung will oder nicht.“