Essen. . Parteien und Gewerkschaften wollen den Missbrauch von Werkverträgen eindämmen, die etwa bei Schlachtbetrieben und im Einzelhandel reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängen. Sie wissen nur nicht recht, wie. Denn „Scheinwerkverträge“ sind verboten, werden aber selten juristisch verfolgt.

Sie zerlegen Schweine, räumen abends die Regale im Supermarkt ein oder stapeln nachts Möbelkartons: Menschen mit Werkverträgen gelten als die neuen Beschäftigten zweiter Klasse. Je mehr die Zeitarbeit mit ihrem Mindestlohn aus der Schusslinie gerät, desto mehr geraten die Werkverträge hinein, für die es keine Untergrenze gibt.

Für die Gewerkschaften IG Metall und Verdi ist dies das nächste große Thema – und seine Brisanz haben kurz vor der Bundestagswahl auch die Parteien plötzlich erkannt.

Allen Klageführern gemein ist jedoch das Rätseln, wie der Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern sei. Denn Werkverträge sind nicht neu, sie waren lange Zeit das Normalste der Arbeitswelt. Unternehmen lassen Fremdfirmen „Gewerke“ erledigen, etwa Handwerksarbeiten, die Reinigung oder Zulieferdienste. Dafür wird die Fremdfirma pauschal bezahlt, wie diese dann ihre Mitarbeiter entlohnt, ist deren Sache.

„Scheinwerkverträge“ werden selten juristisch verfolgt

In die Kritik geraten sind Werkverträge, seitdem Dienstleistungen eingekauft werden, die eigentlich zum Kerngeschäft gehören. Hier beginnt die Grauzone, denn Werkvertragler müssen selbstständig arbeiten und dürfen nicht in die betrieblichen Abläufe eingebunden oder gar weisungsgebunden sein. Das zu glauben, fällt schwer bei Arbeiten, die teils im Schichtbetrieb erfolgen.

Solche „Scheinwerkverträge“ sind verboten, werden aber selten juristisch verfolgt. Die Warenhauskette Kaufland hat mit einer Millionenzahlung die Einstellung von Ermittlungen wegen Scheinwerkverträgen in ihren Großlagern erkauft. In NRW wirft SPD-Arbeitsminister Guntram Schneider Fleischproduzenten vor, gegen das Gesetz zu verstoßen, hat dies aber bisher nicht in konkreten Fällen untermauert.

Wie aber will die Politik etwas verhindern, das ohnehin verboten ist? Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beließ es bei einer Mahnung und dem Versprechen, sie werde „ein Auge drauf“ haben. Die SPD übernimmt die IG-Metall-Forderung, Betriebsräte sollten Werkverträge ablehnen können. Das aber ist rechtlich kaum durchzusetzen. Schließlich sind Betriebsräte nicht zuständig für die Mitarbeiter anderer Unternehmen.

Werkverträge werden auch in höheren Lohngruppen genutzt

Helfen würden Mindestlöhne, aber nicht überall. So gilt beim Dienstleistungsverband ILS ein „christlicher“ Tariflohn von 6,63 Euro. In dem Verband sind Dutzende Firmen organisiert, die etwa Werkverträge mit Supermärkten abschließen. Weil der Verband beobachtet, dass die Konkurrenz diesen Lohn sogar noch deutlich unterschreitet, fordert ILS mittlerweile selbst einen Mindestlohn.

Läge er bei 8,50 Euro, würde er auch den meisten Fleischzerlegern nützen. Doch Werkverträge werden auch in höheren Lohngruppen genutzt. So verlor Daimler unlängst einen Prozess wegen Scheinwerkverträgen mit IT-Experten. An ihnen ginge der Mindestlohn ebenso vorbei wie an den vielen Ingenieuren, die zu Werkverträgen beschäftigt sind.

Der IG Metall ist dies bewusst. In seltener Selbstkritik gestand Gewerkschaftsvize Detlef Wetzel unlängst ein, das Thema unterschätzt zu haben. Er will das Problem an der Wurzel packen, was der IG Metall weh tun würde. Denn Werkverträge boomen auch deshalb, weil Lohngruppen für einfache Tätigkeiten fehlen.

Ruf nach der Politik wird lauter

In der Metallindustrie beginnen die Tariflöhne bei etwa 14 Euro, weshalb viele Unternehmer Bereiche wie die Logistik ausgliedern. Wetzel erklärte sich nun dazu bereit, über Einstiegslöhne zu verhandeln. Allerdings nur, wenn gleichzeitig auch die Werkverträge eingedämmt werden.

Die Arbeitgeber würden gern über niedrigere Einstiegslöhne reden, aber nicht über Werkverträge. Ähnlich verhält es sich in der aktuellen Tarifrunde im Einzelhandel. Dort liegt der Tariflohn für Lagerarbeiten bei 12,33 Euro – Werkverträge gibt’s für die Hälfte. In der fleischverarbeitenden Industrie wird seit Längerem über Mindestlöhne geredet – bisher ergebnislos.

Da die Tarifpartner die Missstände bisher nicht in den Griff kriegen, wird der Ruf nach der Politik lauter. Die hat das Problem zwar erkannt – mehr aber auch nicht.