Düsseldorf.

Lohndumping, Endlosschichten, mangelnde Sicherheitsstandards: In großen NRW- Fleischbetrieben werden Arbeitsschutzbestimmungen laut Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) systematisch missachtet. „Alle Großen mit mehr als 350 Beschäftigten verstoßen in unterschiedlichem Ausmaß gegen gesetzliche Bestimmungen“, sagte Schneider. Dies habe eine Sonderaktion der staatlichen Arbeitsschutzverwaltung in 24 Fleisch-Großbetrieben und bei 27 Werkvertragsnehmern ergeben.

Bei zwei Dritteln der überprüften Betriebe wurden Mängel festgestellt. Vor allem Fleischzerleger aus Mittel- und Osteuropa würden „unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Hungerlöhnen“ beschäftigt. Arbeitszeiten von 13,5 Stunden täglich seien festgestellt worden. Es herrschten zum Teil „frühkapitalistische Bedingungen“, so Schneider. Beschäftigte hantierten bei der Fließbandarbeit mit scharfen Messern gefährlich nah nebeneinander, es gebe unzureichende arbeitsmedizinische Vorsorge und keine Anleitungen in der Muttersprache der Mitarbeiter. Die Gewerkschaft NGG kritisiert zudem, dass Bulgaren und Rumänen unwürdig untergebracht seien und zum Teil „Horrormieten“ von 200 Euro pro Bett in kleinen Zimmern zahlen müssten, die sie sich mit mehreren anderen teilen.

Ertappte Betriebe haben offenbar nur in seltenen Fällen schwerwiegende Konsequenzen zu befürchten. Es fehlt ohnehin an gewerkschaftlichen Strukturen in der Branche. Gerade osteuropäische Arbeiter begehren nicht auf, verdienen sie doch immer noch mehr als in ihren Heimatländern. Bußgelder von 20 000 Euro seien zudem für große Fleischproduzenten „nicht gerade abschreckend“, sagte Schneider und spielte unerwartet deutlich auf die Firma Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück an. Deren Chef ist Clemens Tönnies, der Aufsichtsratsvorsitzende des Fußball-Bundesligisten Schalke 04.

„Wenn man Herrn Raúl kaufen kann, sind 20 000 Euro nicht viel Geld“, sagte der Arbeitsminister. Schalke hatte von 2010 bis 2012 den spanischen Superstar Raúl unter Vertrag genommen.

Die Landesregierung hat den Missbrauch von Werkverträgen als wesentliche Ursache für die Zustände in der Fleischindustrie ausgemacht. Es gebe Unternehmen, in denen 90 Prozent der Produktion von Werkvertragsmitarbeitern erledigt würden und betriebliche Strukturen praktisch aufgelöst seien, berichtete Schneider.

Initiative gegen Werkverträge

Durch die wiederholte Weitergabe bestimmter Fleisch-Zerlegungsaufträge an Sub-Unternehmer von Sub-Unternehmern in Rumänien komme beim einzelnen Mitarbeiter nur noch ein Hungerlohn an. Bei Werkverträgen wird eine bestimmte Dienstleistung gegen eine feste Vergütung unabhängig vom Stundenaufwand eingekauft.

Gemeinsam mit Niedersachsen und dem Saarland will NRW eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, die künftig nur noch die Weitergabe von Werkvertragsarbeit an maximal zwei Sub-Unternehmer gestatten würde. Schneider brachte zudem Betriebsquoten für den Anteil der Werkvertragsarbeit an der Gesamtproduktion ins Gespräch.