Essen. . Gewerkschafter teilen die Einschätzung von NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD), in der Fleischindustrie herrschten frühkapitalistische Zustände. Der Vize-Chef der Gewerkschaft NGG, Claus-Harald Güster, spricht von „Ausbeutung“ und „menschenunwürdiger Behandlung“.

Gewerkschafter teilen die Einschätzung von NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD), in der Fleischindustrie herrschten frühkapitalistische Zustände. Der Vize-Chef der Gewerkschaft NGG, Claus-Harald Güster, sprach von „Ausbeutung“ und „menschenunwürdiger Behandlung“ der mit Werkverträgen ausgestatteten Beschäftigten. „In einem Geflecht von Sub- und Sub-Sub-Unternehmen entziehen sich einige Auftraggeber ihrer Verantwortung, anständige Löhne zu zahlen.“

Guntram Schneider gerät nach seinen Ausbeutungsvorwürfen gegen Fleischunternehmer Clemens Tönnies unter Zugzwang. Die CDU verlangt einen „umfassenden Bericht“ über die Prüfergebnisse des Staatlichen Arbeitsschutzes. Schneider müsse „Ross und Reiter nennen, statt nebulöse Verdächtigungen in den Raum zu stellen.“

Alles halb so schlimm? Glückliche Arbeitnehmer aus Rumänien, die sich in Westfalen fleißig ein Stück Wohlstand erarbeiten dürfen? Die Gewerkschaft NGG und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben eine andere Sicht auf die Dinge. Sie beraten Arbeiter mit Werkverträgen aus der Fleischindustrie in NRW, die nicht den Eindruck haben, sie hätten hier das große Los gezogen. Frauen und Männer, die von Schikane, Ausbeutung und unerträglichem Druck sprechen. Acht Euro Lohn? Die gibt’s, so heißt es, oft nur auf dem Papier.

„Nicht selten wird erst nach der Arbeit der Stundenlohn berechnet“

„Bei Arbeitszeit und Lohn wird in dieser Branche oft getrickst und manipuliert“, sagt Szabolcs Sepsi vom DGB in Dortmund. „Stunden werden nicht selten erst im Nachhinein nach der Arbeitsleistung abgerechnet.“ Nicht zugunsten des Arbeiters natürlich. Sepsi weiter: „Lohnabrechnungen von diesen Arbeitnehmern zeigen, dass sie zum Teil nur fünf Euro in der Stunde verdienen, auch bei Firmen, die im Auftrag von der Firma Tönnies die Arbeitnehmer beschäftigen.“

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Armin Wiese von der NGG in Detmold/Paderborn sagt: „Wir haben Einblick in zahlreiche Lohnabrechnungen von Beschäftigten mit Werkverträgen in der Lebensmittel- und Fleischindustrie in Ostwestfalen. Wir stellen fest, dass die Bezahlung von Arbeitskräften aus Rumänien und Ungarn zum Teil deutlich unter 8 Euro/Stunde liegt. Es gibt Beschäftigte in der Lebensmittel- und Fleischindustrie in NRW, die wegen undurchsichtiger oder fehlender Abrechnungen manchmal nicht einmal selbst wissen, für welche Stundenzahl welcher Lohn gezahlt wurde. Wenn es keine exakten Arbeits- und Pausenzeiterfassungen gibt, ist eine Kontrolle der korrekten Bezahlung unmöglich.“

Tönnies Mienenspiel

Am Mittwoch verkündete Clemens Tönnies, der Aufsichtsrats-Chef von Schalke 04, die sofortige Trennung von Trainer Felix Magath.
Am Mittwoch verkündete Clemens Tönnies, der Aufsichtsrats-Chef von Schalke 04, die sofortige Trennung von Trainer Felix Magath. © WAZ FotoPool
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Am Mittwoch verkündete Clemens Tönnies, der Aufsichtsrats-Chef von Schalke 04, die sofortige Trennung von Trainer Felix Magath. © WAZ FotoPool
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Schafft ein Mindestlohn Abhilfe?

Rumänen und andere Osteuropäer mit Werkverträgen arbeiten hier im Auftrag von Subunternehmern und nicht direkt für den Fleischproduzenten. Sie haben einen Arbeitsvertrag von einer Firma in ihren Heimatländern in der Tasche. Das kann eine Schlachterei sein, oft sind es nach Einschätzung der deutschen Gewerkschafter aber nur Scheinfirmen. „In Rumänien bezahlen sie auch Kranken- und Sozialversicherung. Ihr Lohn liegt dort oft bei 90 Cent/Stunde oder 170 Euro/Monat. Das ist der Mindestlohn in Rumänien. Dazu erhalten sie hier einen Auslandszuschlag“, erklärt Szabolcs Sepsi. Besser bezahlen lassen sich Leiharbeiter aus Polen und Tschechien, die auf dem EU-Arbeitsmarkt volle Freizügigkeit genießen. Mehr als zehn Euro sind in der Schlachterbranche für diese Arbeitskräfte drin.

„Der Missbrauch von Werkverträgen ist nicht nur ein Problem an den großen Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen, sondern bundesweit. Der hohe Anteil von Werkverträgen, vor allem die damit einhergehende Ausbeutung und teilweise menschenunwürdige Behandlung von Beschäftigten aus Südosteuropa, ist nicht länger hinnehmbar. Wir fordern einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, aber besser noch eine tarifliche Lösung für die Fleischbranche, die dann auch für die Werkverträge gelten müsste“, sagte Claus-Harald Güster, stellvertretender Vorsitzender der NGG, dieser Zeitung.