Essen. . BDI-Präsident Ulrich Grillo mahnt die Politik dazu, jetzt aktiv zu werden. Ganz oben auf der Liste des BDI steht die Energiewende. Was es aber nach Meinung von Grillo nach der Bundestagswahl nicht geben soll, sind höhere Steuern. Vor allem die SPD-Pläne kritisiert er scharf.
Kurz vor der Bundestagswahl schaltet sich der einflussreiche Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein. BDI-Präsident Ulrich Grillo mahnt eine grundlegend neue Energiepolitik an und warnt eindringlich vor Steuererhöhungen.
Der Wahltag 22. September rückt näher. Wie hat Ihnen die Arbeit der schwarz-gelben Bundesregierung gefallen?
Ulrich Grillo: Wie immer im Leben gab es Licht und Schatten. Ich habe den Eindruck, dass die Mehrheit der Bürger grundsätzlich zufrieden ist. Vielen Menschen im Land geht es gut. Dank einer starken Industrie sind wir bislang relativ unbeschadet durch die Schuldenkrise gekommen. Die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise niedrig, in der Wirtschaft läuft es ziemlich rund. Aber damit es so bleibt, muss die Politik jetzt aktiv werden.
Ein Beispiel, bitte.
Ulrich Grillo: Das größte Thema ist die Energiewende. Etwa die Hälfte der deutschen Unternehmen stellt den Regierungen in Bund und Ländern in dieser Frage die Noten „mangelhaft“ oder „ungenügend“ aus.
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Das hat eine repräsentative Unternehmerbefragung im Auftrag des BDI ergeben. Unter dem Strich steht eine „Vier minus“.
Das heißt, die Regierung muss um die Versetzung bangen?
Ulrich Grillo: Mit dieser Note wird man ja gerade noch versetzt, aber es gibt natürlich erhebliches Verbesserungspotenzial. Das Management in Sachen Energiewende ist schlecht. Das gilt für Bund und Länder. Derzeit haben wir nicht eine Energiewende, sondern 17 Energiewenden. Strom muss sicher, sauber und bezahlbar bleiben. Das ist derzeit aber nicht garantiert.
Viele Menschen ärgern sich über höhere Strompreise bei gleichzeitiger Entlastung zahlreicher Industriebetriebe. Läuft da etwas schief?
Ulrich Grillo: Dass die Preise steigen, betrifft auch die Unternehmen. Die Erneuerbare-Energien-Umlage hat ein Volumen von rund zwanzig Milliarden Euro, davon zahlt die Wirtschaft mehr als zehn Milliarden. Die Bürger übernehmen sieben Milliarden Euro, drei Milliarden der Staat. Viele Betriebe tragen also erhebliche Kostenbelastungen, die es im Ausland nicht gibt. Wir reden über rund eine Million Arbeitsplätze in den energieintensiven Betrieben. Diese Jobs und die anschließenden Wertschöpfungsketten zu erhalten, muss uns etwas wert sein. Daher sind die Entlastungen für etwa vier Prozent der Industriebetriebe gerechtfertigt.
Wir können in den nächsten Jahren auf Kohlekraftwerke nicht verzichten
Das Bochumer Edelstahlwerk von Outokumpu in Bochum soll in diesem Jahr erstmals in vollem Umfang die EEG-Umlage zahlen. Können Sie das nachvollziehen?
Ulrich Grillo: Ich kann den Einzelfall nicht kommentieren. Aber wenn ein Fehler passiert ist, muss er korrigiert werden. Ein Stahlwerk ist ein energieintensives Unternehmen, das im internationalen Wettbewerb steht.
Sind Kohle- und Gaskraftwerke ein Auslaufmodell in Deutschland?
Ulrich Grillo: Nein. Wir können in den nächsten Jahren auf konventionelle Kraftwerke nicht verzichten, denn sie garantieren die Stabilität im Stromnetz. Es gibt auch Stunden, in denen die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. In diesen Momenten brauchen wir Kohle- und Gaskraftwerke. Mich besorgt, dass viele für das Gesamtsystem notwendige konventionelle Kraftwerke unrentabel geworden sind, weil sie nur noch selten am Netz sind. Hierfür brauchen wir maßgeschneiderte Lösungen, ohne vorschnell neue Dauersubventionen zu begründen.
Wie sie aufgebaut sein können, dafür gibt es abgestuft unterschiedliche Denkmodelle – zum Beispiel eine begrenzte strategische Reserve, bei der ein Unternehmen eine Vergütung dafür erhält, bestimmte Kraftwerkskapazitäten bereitzustellen. Das wäre eine Art Versicherung. Darüber muss diskutiert werden.
Damit dürften die Strompreise aber weiter steigen. Bislang sind alle Versuche, den Kostenanstieg in den Griff zu bekommen, gescheitert.
Ulrich Grillo: Wir brauchen schnell eine Kostenbremse, am besten direkt nach der Bundestagswahl. Es kann nicht dabei bleiben, dass der Preis für eine Kilowattstunde Strom aus regenerativer Energie für die nächsten 20 Jahre festgeschrieben ist. Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Erforderlich ist ein neues Gesamtkonzept zur Umsetzung der Energiewende. Wir müssen das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz reformieren. Sonst werden Strom und Energie für viele Verbraucher unbezahlbar.
"Die Steuerpläne der SPD lösen bei mir keine Sehnsucht nach einer Großen Koalition aus"
Mit welcher Koalition ginge das am besten?
Ulrich Grillo: Mit einer starken Regierung, die Entscheidungen entschlossen umsetzt.
Sie meinen eine Große Koalition?
Ulrich Grillo: Die Steuerpläne der SPD lösen bei mir jedenfalls keine Sehnsucht nach einer Großen Koalition aus.
Rechnen Sie mit Steuererhöhungen nach der Wahl?
Ulrich Grillo: Sie wären jedenfalls völlig falsch. Die SPD will mit ihrem Kandidaten Steinbrück eine Vermögensteuer, höhere Erbschaftsteuern und eine Erhöhung der persönlichen Einkommensteuer für Spitzenverdiener von 45 auf 49 Prozent durchsetzen. Wir sehen diese Pläne überaus kritisch. 90 Prozent des Vermögens in Deutschland ist in den Betrieben gebunden.
Es ist unrealistisch, eine Vermögensteuer einzuführen, ohne den Unternehmen zu schaden, da es an die Substanz der Firmen geht. Davon wären gerade auch mittelständischen Firmen betroffen, die wenige Gewinne ausschütten und viel investieren.
Wo soll denn das Geld für die notwendigen Investitionen in Bildung oder neue Straßen und Brücken herkommen?
Ulrich Grillo: Unsere Steuerquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist der dritthöchste Wert seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Unsere öffentlichen Haushalte haben kein Einnahme-Problem. Die Steuereinnahmen sprudeln auf Rekordhöhe. Es stimmt: Wir müssen das Geld richtig ausgeben, nämlich investieren. Ich denke an mehr Finanzmittel für Bildung und die Erneuerung unserer Infrastruktur. Das zahlt sich in Zukunft aus, auch in Form höherer Steuereinnahmen. Wenn Deutschland jetzt die Steuern erhöht, ist das Gift für die Konjunktur.
Was halten Sie vom „Kommunal-Soli“ in NRW, der dazu führt, dass beispielsweise Städte wie Düsseldorf und Ratingen für Essen und Herne zahlen müssen?
Ulrich Grillo: Solidarität ist gut, aber ein maßvoller Steuerwettbewerb auch aus Sicht vieler Kommunen besser. Die Gemeinden kämpfen dafür, die Höhe der Gewerbesteuer eigenverantwortlich festzusetzen. Das ist ein starkes Argument für Standort-Entscheidungen von Unternehmen. Ordentlich haushaltende Kommunen dürfen nicht bestraft werden. Klar ist auch: Es hilft weder Kommunen noch Unternehmen, weiter an der Gewerbesteuer-Schraube zu drehen.