Berlin. Viele Banken und Sparkassen in Deutschland kassieren einer Untersuchung der Stiftung Warentest zufolge von ihren Kunden für die Überziehung des Girokontos noch immer Zinssätze im zweistelligen Bereich. Sich selbst hingegen könnten Banken und Sparkassen derzeit bei der Europäischen Zentralbank zu einem Zinssatz von 0,5 Prozent Geld leihen.
Viele Banken verlangen von ihren Kunden laut Stiftung Warentest noch immer überhöhte Dispozinsen. Wer sein Girokonto überzieht, zahlt bis zu 14,75 Prozent Zinsen, ergab ein Vergleich für die Zeitschrift "Finanztest". Besonders Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken im ländlichen Raum nutzten ihre Monopolstellung aus und schröpften die Kunden, kritisierte Stiftungsvorstand Hubertus Primus am Dienstag in Berlin. "Die größten Abzocker sind ausgerechnet die Kleinsten."
Die Tester verglichen die Konditionen von 1538 Banken und stießen auf große Unterschiede. Der günstigste Anbieter verlangte für den Dispo 4,2 Prozent. Der Durchschnitt lag bei 11,31 Prozent.
Die Stiftung hält Dispozinsen von deutlich unter 10 Prozent für angebracht. "Es gibt kaum Verbraucher, die den Dispo nicht zurückzahlen", sagte Primus, die Ausfallquote liege bei 0,2 Prozent.
Transparenz bei Banken lässt zu wünschen übrig
Nach der Untersuchung lässt auch die Transparenz der Banken zu wünschen übrig. Nur gut ein Viertel antwortete der Stiftung, bei den meisten Geldhäusern mussten die Tester persönlich erscheinen, um nachzufragen - und bekamen selbst dann nicht immer Antwort. In vielen Fällen habe es keinen Preisaushang in der Filiale oder auf der Website gegeben, kritisierte Primus.
"Die Banken haben den Verbraucher als billige Geldquelle entdeckt." Denn sie bekämen das Geld viel billiger. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank hat aktuell ein Rekordtief von 0,5 Prozent erreicht. Untereinander liehen sich die Banken das Geld für 0,22 Prozent.
SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück fordert Obergrenze für Dispozinsen
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte im Wahlkampf eine Obergrenze für Dispozinsen von acht Prozentpunkten über dem Leitzins gefordert, die Linkspartei verlangte sogar einen Abstand von höchstens fünf Punkten.
Primus sagte, vor solchen Forderungen schützten sich Banken nur, wenn sie ihre Zinsen offen legen. Eine Obergrenze sei nicht nötig, wohl aber die gesetzliche Verpflichtung, die Konditionen im Internet offen zu legen. Die Banken, die dies in den vergangenen Jahren machten, hätten seit der letzten Untersuchung 2012 auch die Zinsen gesenkt.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte erst kürzlich ein Vergleichsportal mit den Gebühren aller Banken angeregt. Betreiber könnten die Verbraucherzentralen oder die Stiftung Warentest sein.
Volksbanken werfen Stiftung Warentest Wahlkampf vor
Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken haben der Stiftung Warentest im Streit um hohe Zinsen für Dispo-Kredite Stimmungsmache im Bundestagswahlkampf vorgeworfen. "Ich kann das Getöse nicht nachvollziehen. Statt Aufklärung über den Mechanismus zu betreiben, der hinter der Preisfindung von Dispozinsen steht, mokiert man sich ausschließlich über die Höhe der Zinsen", sagte der Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), Manfred Götzl, am Dienstag in München. Überziehungskredite seien unbesichert und damit für die Banken die teuerste Form der Kreditgewährung. Hohe Zinsen seien "schlichtweg eine kaufmännische Erfordernis", sagte Götzl.
Eine Obergrenze für Dispozinsen lehnte Götzl erneut strikt ab. Der Verbandschef hat bereits mehrfach die hohen Zinsen für Dispokredite verteidigt. Kein Kunde müsse sein Konto überziehen und Banken seien auch nicht verpflichtet, solche Kredite anzubieten, hatte Götzl vor einigen Monaten gesagt. Günstige Zinsen verführten Kunden sogar eher, ihr Konto zu überziehen. Dispokredite seien ein Service, um Verbrauchern kurzfristig mehr finanziellen Spielraum zu gewähren. (dpa/afp)