Essen. Die Region um Rhein und Ruhr wird vor allem bei Tagestouristen immer beliebter. Die Zahl der Gäste steigt auch nach dem Kulturhauptstadtjahr weiter an. Besonders gefragt sind Köln, Düsseldorf und Essen. Die Vielfalt macht's: NRW bietet alles von Aktivurlaub bis Städtetrip.
Die Star Wars Celebration Messe in Essen war so ein Tourismusmagnet, den sogar Karl-Joachim Cammerzell auf seinem idyllischem Campingplatz an der Ruhr in Essen-Kettwig spürte. „Die Zeiten der vielen Dauercamper sind vorbei, hier kommen immer mehr Leute hin, die mal in die Natur wollen, kurz abschalten, aber gleichzeitig auch die Stadt erkunden möchten“, sagt Cammerzell.
60 Dauercamper gibt es hier noch, die restlichen Plätze werden für Tagestouris freigehalten. Zur Star-Wars-Messe suchten Menschen aus Frankreich und Süddeutschland eine günstige Camping-Bleibe, fernab vom komfortablen Hotel. Die Masse der Touristen (64,2 Prozent) sucht aber genau das: ein schön gemachtes Bett statt wackeliger Luftmatratze im Zelt.
Kurzurlaubstourismus wichtigstes Standbein
Und was viele bezweifelt hatten: Es werden auch drei Jahre nach dem Kulturhauptstadtjahr noch immer mehr. 2012 zählte NRW 45,4 Millionen Übernachtungen, gut drei Millionen mehr als im mit Großveranstaltungen gespickten Ausnahmejahr 2010. Der Tages- und Kurzurlaubstourismus in NRW bleibt seither das wichtigste Standbein der Region. Metropolen wie Berlin, die das vierfache vorweisen können, werden damit nicht erreicht, aber NRW holt auf.
Besonders gefragte Städte sind Köln, Düsseldorf und Essen. Essen zuletzt mit einem Plus von 5,8 Prozent. Julie Sengelhoff von NRW-Tourismus weiß um die Anziehungspunkte im Land. „Die Industriekultur ist als Ziel immer noch weit vorne, aber auch nicht zu unterschätzen ist der Aktivurlaub.“ Ob die ausgezeichneten Wanderwege im Sauerland oder der Gesundheitstourismus im Teutoburger Wald. Eine Reiseanalyse vom Tourismus NRW Verband zeigt, warum die Touristen sich NRW aussuchen, was sie hier unternehmen.
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Ganz oben auf der Liste stehen die Besuche von Bekannten mit 35,2 Prozent. 27,8 Prozent machen einen Städtetrip, der Rest verteilt sich auf Erholungsurlaub, Eventreisen, Kultur und Shopping. Neben den Industriekulturzielen im Ruhrgebiet spielt auch der Fahrradtourismus eine wachsende Rolle. Allein der Ruhrtalradweg zog 2010/2011 mehr als eine Millionen Tagesausflügler an. „Vor allem Radler aus dem Umland machen Touren, aber auch Niederländer und Engländer schätzen es, den Ballungsraum mit dem Rad zu erkunden“, sagt Sascha Thiemann von Ruhrtourismus.
Gerade von diesen Aktivurlaubern profitieren auch die Jugendherbergen und Campingplätze. Die häufig auf Hotelstandards gehobenen Jugendherbergen zählten im vergangenen Jahr 2,3 Millionen Übernachtungen, auf Campingplätzen gab es in diesem Jahr allein in den kalten Monaten Januar bis Mai 402 146 Gästeübernachtungen, 67 362 davon aus dem Ausland.
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Sie blieben im Schnitt 2,8 Tage, an denen sie Zollverein, Tetraeder & Co besuchten. Karl-Joachim Cammerzell hat selber kaum Gelegenheit, sich die Aushängeschilder des Ruhrgebiets in Ruhe anzuschauen. „Wie auch, wenn ich das halbe Jahr lang rund um die Uhr hier bin.“ Und wenn Urlaub ansteht gehe es dann doch eher in den Süden – sicher ist sicher.
Nasses Gras unter den Füßen
„Es gibt zwei Strömungen von Tagescampern“, sagt Leo Ingenlath, Präsident des Verbandes für Freizeit- und Campingunternehmer: Die Naturnahen, die wieder „nasses Gras unter den Füßen spüren wollen“ und die, die mit Hightech-Wohnmobilen anreisen, um viel Komfort zu haben. Auf dem Cammerzeller Platz sind Letztere allerdings an der falschen Adresse. „Wir haben Solarzellen, die unseren Strom produzieren – lange Fernsehen ist da nicht drin“, sagt der Pächter lachend.