Essen. Bis 2030 klafft im Revier eine Lücke von 236.000 barrierearmen und altersgerechten Wohnungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Landessparkasse LBS in Auftrag gegeben hat. Der Umfrage zufolge denkt die Generation 50plus aber zu spät über einen Umbau nach.
Die Menschen werden immer älter. Deshalb wächst der Bedarf an barrierearmen Wohnungen. Laut einer Studie der Landesbausparkasse LBS fehlen derzeit im Ruhrgebiet 217.000 Wohnungen mit breiten Türen und stufenfreien Duschen. Bis 2030 soll die Lücke gar auf 236.000 anwachsen. Das Bewusstsein von Mietern und Hauseigentümern für eine „graue Sanierung“ ist der Erhebung zufolge aber nicht besonders ausgeprägt.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der Uni Münster und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat die LBS Haushaltsvorstände befragt, die 50 Jahre und älter sind. 1620 haben geantwortet.
Kaum eine Wohnung ist tatsächlich barrierefrei
Die Ergebnisse sind eindeutig: In allen Städten des Ruhrgebiets beträgt der Anteil sanierungsbedürftiger Wohnungen der Haushalte „50plus“ zwischen 14 und 16 Prozent. Und: Kaum eine Wohnung ist tatsächlich barrierefrei und verfügt über Ausstattungsmerkmale nach DIN-Norm wie Treppenlift, Aufzug, Rampe und umfahrbares Waschbecken.
Allein bei der Anforderung „Bad mit großer Bewegungsfläche“ haben nur 22 Prozent der Wohnungen Nachholbedarf. „Große Badezimmer liegen ohnehin im Trend“, vermutet LBS-Vorstandschef Gerhard Schlangen.
Zahl der über 80-Jährigen wächst um 63,3 Prozent
Dass so viele Wohnungen nicht altersgerecht ausgestattet sind, liegt auch an der Einstellung ihrer Bewohner. Von den 2,454 Millionen Haushalten im Ruhrgebiet werden 1,356 Millionen von über 50-Jährigen bewohnt. In 691.000 Haushalten sind die Bewohner über 65. Die Zahl der Älteren wird weiter wachsen. Der Landesbetrieb IT hat ausgerechnet, dass die Zahl der 65- bis 80-Jährigen von 2008 bis 2030 um 21,8 Prozent und die der über 80-Jährigen sogar um 63,3 Prozent wachsen werde.
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Die LBS-Studie kommt zu dem Schluss, dass sich die Generation Ü 50 nicht frühzeitig mit Fragen des altersgerechten Wohnens auseinandersetzt. Fast die Hälfte geht davon aus, dass Haus oder Wohnung unverändert bleiben können. Nur 20 Prozent erwägen einen altersgerechten Umbau, 24 Prozent einen Umzug. Knapp drei Viertel der Befragten halten ihre Wohnung auch für das Alter geeignet.
Bei Neubauten ist barrierearme Ausstattung Standard
Während die Landesbausparkasse nicht ganz uneigennützig dafür wirbt, finanzielle Vorsorge für den altersgerechten Umbau von Wohnungen zu treffen, ist der barrierearme Status bei Neubauten längst Standard. „Wir sehen den Bedarf und fördern im sozialen Wohnungsbau seit 1998 nur noch barrierearme Häuser“, sagt Angela Gareis, Sprecherin des NRW-Bauministeriums. „Das strahlt auch auf den frei finanzierten Markt ab.“
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Zwei Beispiele: Von den 4764 Einheiten der Mülheimer Wohnungsbau Genossenschaft MWB haben rund 600 den Status barrierearm. „Wir haben das Thema schon lange auf der Tagesordnung“, sagt Abteilungsleiter Marc Peters. Bei Neubauten und Modernisierungen ganzer Gebäude oder Siedlungen sei die altersgerechte Ausstattung inzwischen Standard.
Ansonsten baut die Genossenschaft bei Bedarf Haltegriffe ein, ersetzt Badewannen durch ebenerdige Duschen und vergrößert Türrahmen. Je nach Pflegestufe beteiligen sich Krankenkassen an den Umbaukosten. Der Rest wird auf die Miete umgelegt. „Wir wollen unsere Mieter so lange wie möglich halten“, sagt Peters. Und so rät die Genossenschaft ihren Mitgliedern, frühzeitig einen Umbau zu planen.
Wohnungsgesellschaften reagieren
Der Branchenriese Deutsche Annington in Bochum mit bundesweit 79 000 Wohnungen hat nach eigenen Angaben nur 400 barrierearme im Bestand, „In diesem Jahr werden wir bis zu 1000 weitere Einheiten entsprechend umbauen. Unser Ziel ist es, jedes Jahr bis zu 2000 Wohnungen barrierearm umzubauen, langfristig insgesamt zehn Prozent unseres Bestandes“, sagte eine Annington-Sprecherin.