Essen. . Es ist ein Urteil, das Folgen für Hunderttausende Kunden von Gasversorgern haben könnte. Der BGH verpflichtet den RWE-Konzern dazu, Geld an eine Gruppe von Kunden zurückzuzahlen. Klauseln bei Preiserhöhungen waren nicht rechtmäßig. Verbraucherschützer geben nun Empfehlungen.

Für Heinz Linnebank (77) ist der Fall klar. Der pensionierte Lehrer aus Welver im Kreis Soest bekommt Geld zurück. Denn Linnebank gehört zu einer Gruppe von 25 Kunden, die mit Unterstützung der Verbraucherzentrale NRW gegen den Essener Energieversorger RWE geklagt und nun vom Bundesgerichtshof (BGH) Recht bekommen haben.

Die Richter urteilten, dass RWE Gaspreis-Erhöhungen in den Jahren 2004 bis 2006 mit unzulässigen Klauseln begründet hat. Insgesamt rund 16.000 Euro muss der Konzern nun zurückzahlen – und dabei wird es voraussichtlich nicht bleiben.

Der Fall mit dem Aktenzeichen VIII ZR 162/09 könnte Folgen für Hunderttausende Verbraucher haben – und zwar nicht nur für die an der Klage beteiligten RWE-Kunden. Die Verbraucherzentrale NRW jedenfalls rechnet nun mit einer Flut von Widersprüchen und Klagen. „Auch zahlreiche andere Versorger, die entsprechende Klauseln nutzen, stehen jetzt in der Pflicht“, betont Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale.

Heinz Linnebank aus Welver. Er gehörte zu einer Gruppe von 25 Kunden, die gegen RWE geklagt haben.
Heinz Linnebank aus Welver. Er gehörte zu einer Gruppe von 25 Kunden, die gegen RWE geklagt haben. © wp

Bei der Entscheidung des BGH ging es um Verbraucher mit sogenannten Sonderkundenverträgen. Anders als der Begriff vermuten lässt, verfügen etwa 70 Prozent der fast 13,5 Millionen deutschen Gaskunden über solche Verträge. Die Verbraucher haben sich vom örtlichen Grundversorger verabschiedet oder einen speziellen Tarif vereinbart.

Verbraucherzentrale NRW bietet Musterbrief für Widersprüche an

Geld aus unberechtigten Gaspreiserhöhungen gebe es allerdings nicht automatisch zurück, betonen die Verbraucherschützer. Jeder einzelne Kunde müsse eine entsprechende Forderung an seinen Gasversorger schicken und seiner Jahresrechnung innerhalb von drei Jahren widersprechen. Liegt die Preiserhöhung mehr als drei Jahre zurück, sei sie verjährt. Die Verbraucherzentrale bietet bereits auf ihrer Internetseite einen Musterbrief zum Widerspruch an.

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Durch das Urteil werde „eine Lawine von Widerspruchsschreiben und Verjährungsprüfungen losgetreten“, sagt Müller und kritisiert, dass jetzt jeder einzelne Verbraucher mühsam für sein Recht streiten müsse. „Sinnvoll wäre es, wenn RWE und alle anderen Versorger einen einfachen Modus finden würden, wie die Rückzahlung unberechtigter Preiserhöhungen abgewickelt werden kann.“

RWE ließ das weitere Vorgehen offen. Zunächst einmal gelte es, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten, hieß es.

Auch die Gasbranche legte sich nicht auf mögliche Konsequenzen aus der BGH-Entscheidung fest. Es sei „noch fraglich, ob das heutige Urteil auch auf aktuell geltende Verträge anwendbar ist“, erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Außerdem drehe sich der aktuelle Fall nicht um die Frage, ob die höheren Gaspreise „sachlich gerechtfertigt und begründbar“ waren. „Vielmehr stehen formaljuristische Fragen im Mittelpunkt.“

„Da ist RWE wie ein Gutsherr vorgegangen.“

Für Heinz Linnebank ist es eine Genugtuung, nun Recht bekommen zu haben. „Wir wurden einfach mit Floskeln abgespeist“, erinnert sich der Pensionär an die Schreiben von RWE. „Da ist RWE wie ein Gutsherr vorgegangen.“

Linnebank hofft, dass von dem Urteil eine Signalwirkung ausgeht. „Als Einzelkämpfer kann man wenig tun, aber zusammen lässt sich etwas bewegen“, sagt der ehemalige Lehrer, der sich der Gruppe von Klägern angeschlossen hat.

Auch die Politik sieht Linnebank nun gefordert. Sie müsse den Energiekonzernen klare und verbraucherfreundliche Regeln vorgeben. In Linnebanks Fall ging es um 1100 Euro. Die Hälfte des zurückgezahlten Geldes will der ehemalige Lehrer übrigens spenden – an die Verbraucherzentrale NRW.