München. . Die Ablösung von Siemens-Chef Peter Löscher reißt neue Gräben in der Führungsriege des Technologiekonzerns auf. Unter Druck gerät vor allem Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der den Sturz des von ihm einst geholten Österreichers eingefädelt hat. Doch Cromme will nicht so ohne Weiteres gehen.

Siemens dementiert. Keinesfalls habe der scheidende Konzernchef Peter Löscher einen freiwilligen Rückzug vom gleichzeitigen Rücktritt des Oberaufsehers Gerhard Cromme abhängig gemacht und diesem auch nicht unterstellt, der im Hintergrund agierende Rädelsführer an einem Komplott gegen ihn gewesen zu sein.

Solche Aussagen unterstellt die meist gut informierte „Süddeutsche Zeitung“ dem ausgebooteten Konzernchef. Dieser geht nun via „Bild“-Zeitung auf Versöhnungskurs: „Es geht mir ausschließlich um das Wohl von Siemens und der 370.000 Siemensianer, die zu Recht stolz auf ihr Unternehmen sind.“

Man dürfe das so verstehen: Löscher werde bei der Siemens-Aufsichtsratssitzung am Mittwoch nun doch freiwillig gehen, heißt es in seinem Umfeld. Er habe wohl eingesehen, bei einer Kampfabstimmung im von Cromme angeführten Aufsehergremium keine Chance zu haben, eine Zweidrittelmehrheit gegen sich zu verhindern. Damit kann ein Vorstandschef gegen seinen Willen abgelöst werden.

Belegschaftsaktionäre fordern Crommes Rücktritt

Klar ist, dass es in München nur noch darum geht, ein völliges Desaster zu verhindern, bei dem unkon­trolliert noch mehr Köpfe rollen. Denn unangefochten ist Cromme auch bei den Münchenern schon länger nicht mehr. Offen fordern seinen Rücktritt Siemens-Belegschaftsaktionäre, Aktionärsschützer und Fondsmanager, die sein Krisenmanagement kritisieren.

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Er hatte Löscher 2007 als ersten Konzernfremden an die Spitze von Siemens geholt. „Löscher ist eine Erfindung Crommes“, heißt es. Der Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens ist die letzte Machtbastion des Urgesteins der deutschen Wirtschaft, seit er bei Thyssen-Krupp im Frühjahr als Oberaufseher weichen musste.

Auch dort wurde ihm vorgeworfen, nach Milliardenverlusten, Kartellverfahren und anderen Tiefschlägen in Serie die Kontrolle verloren zu haben. Bis zu seinem Rücktritt in Essen haftete dem 70-Jährigen der Ruf an, die größte Teflonpfanne der Republik zu sein, an der nichts haften bleibt. Dann kam bei Thyssen-Krupp doch das Aus, das sich in München nun so nicht wiederholen soll.

Es sei Cromme an einem vernünftigen Abschied bei Siemens gelegen und nicht einem durch die Hintertür, heißt es in seinem Umfeld. Ob er seine volle fünfjährige Amtszeit als Siemens-Oberaufseher noch zu Ende bringt, dafür will in München niemand die Hand ins Feuer legen. Aber Cromme will seinen Abgang selbst orchestrieren, nicht Getriebener sein.

Kein Abgang unter fragwürdigen Umständen

Denn sein Abschied in München wäre auch das Ende seines Berufslebens, in dem er manchen Kampf focht – vor allem mit Stahlarbeitern im Ruhrgebiet. Der Gründervater des deutschen Corporate-Governance-Kodex, einem Regelwerk für ethisch einwandfreie Unternehmensführung, will nicht unter fragwürdigen Umständen sein letztes Mandat von Rang aufgeben.

In seiner Zeit bei Siemens hat er sich aber mehr als einmal fragwürdig verhalten. So lotste Cromme 2011 den damaligen Siemens-Vorstand Heinrich Hiesinger von der Isar an die Ruhr – an die Spitze von Thyssen-Krupp. Schon damals galt das für Siemens als schwerer Schlag. Nicht wenige sagen, wäre Hiesinger heute noch bei Siemens, würde er statt Finanzchef Joe Kaeser neuer Siemens-Vorstandsvorsitzender werden.