München. Heißes Wochenende bei Siemens: Nach der erneuten Gewinnwarnung wackelt der Stuhl von Konzernchef Peter Löscher. Die Zahlen stellen die Aktionäre nicht zufrieden, sein Sparprogramm verunsichert die Arbeitnehmer. Doch der Österreicher denkt nicht daran, kampflos aufzugeben.

Showdown in München: Nach heißen Spekulationen um seine mögliche Ablösung schaltet Siemens-Chef Peter Löscher auf Angriff. "Mir bläst jetzt der Wind ins Gesicht, aber es war noch nie meine Art, aufzugeben oder schnell die Segel zu streichen", lässt der 55-Jährige mitten im Strudel der Ereignisse am Freitagabend über die "Süddeutsche Zeitung" wissen. Damit ist der Machtkampf bei dem Unternehmen voll entbrannt.

Erst am Vortag hatte Siemens zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit seine Gewinnerwartungen zurücknehmen müssen und damit für einen Kurssturz der Aktien an den Börsen gesorgt. Die Antwort aus dem Aufsichtsrat folgte prompt: Schon seit Freitag laufen Gespräche in dem Gremium, wie zu erfahren ist. Im Fokus dabei: Die Zukunft des glücklosen Top-Managers, der seit Monaten unter Dauer-Beschuss steht.

Löscher gibt sich trotzdem optimistisch

Löscher gibt sich trotzdem optimistisch: "Ich arbeite seit meinem Amtsantritt vertrauensvoll mit den Arbeitnehmervertretern zusammen, und das werde ich auch in Zukunft so halten", erklärt der Österreicher. Auch an der Strategie will er feilen: Man werde prüfen, ob beim milliardenschweren Sparprogramm eine "straffere und zentralere Führung" nötig sei.

Eine ganze Pannenserie hatte Löscher in den vergangenen Monaten immer weiter in Bedrängnis gebracht. Ob die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen für die Deutsche Bahn oder Verzögerungen bei der Anbindung von Nordsee-Windparks - der Top-Manager kämpft auf vielen Baustellen und musste erst im Mai die Gewinnprognose fürs laufende Geschäftsjahr kassieren.

Siemens kommt nicht in Fahrt

Nun kommt Siemens also auch 2014 nicht richtig in Fahrt und schafft die angepeilten mindestens zwölf Prozent operative Rendite nicht - obwohl dann doch eigentlich dank des Milliarden-Sparprogramms endlich alles wieder rund laufen sollte bei Deutschlands größtem Elektrokonzern.

Anleger und Analysten reagierten in letzter Zeit zunehmend mit Kopfschütteln auf Löschers Patzer. "Er arbeitet schwer an seiner Demontage und daran, dass man ihm nicht mehr glaubt", lautet die herbe Kritik von Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

Als Hoffnungsträger von außen war der ehemalige Pharma-Manager Löscher 2007 von Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme an die Siemens-Spitze geholt worden, mitten im milliardenschweren Korruptionsskandal bei Siemens.

Ruhig und professionell räumte der Österreicher auf, baute das Unternehmen um, installierte ein neues Compliance-System für saubere Geschäfte und konnte zeitweise auch von einer guten Konjunkturentwicklung profitieren. Doch es gab auch Mühlsteine: Den zu teuer gekauften US-Medizintechnik-Spezialisten Dade Behring zum Beispiel oder den verlustreichen Ausflug ins Solargeschäft.

Watsche für Löschers Sparplan bei Siemens

Aber auch mit Löschers Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretern scheint es nicht zum Besten zu stehen. Das Milliarden-Sparprogramm "Siemens 2014" sorgt schon seit langem für Unruhe bei den Beschäftigten, zumal Siemens bisher nie eine Gesamtzahl zu Stellenstreichungen nannte.

Über rund 10.000 bedrohte Jobs wird seit Monaten spekuliert, erst zum Geschäftsjahresende sollen die genauen Zahlen auf den Tisch kommen. Erst vor wenigen Tagen gab es von Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler eine ungewöhnlich kräftige Watsche für die Sparpläne: "Ich vermisse eine nachhaltige und zukunftsorientierte Unternehmenspolitik", schimpfte Adler in der "Süddeutschen Zeitung" und warf den Konzernlenkern eine "kurzsichtige Portfolio-Politik" vor.

Sollte es zu Löschers Sturz kommen, sind bereits mehrere Kandidaten im Gespräch, allen voran Siemens-Finanzchef Joe Kaeser, dem mehrfach Ambitionen auf den Chefposten nachgesagt wurden. Allerdings: An den immer wieder zurückgenommen Prognosen hatte Kaeser naturgemäß selbst mitgerechnet und war wie Löscher für ihr Erreichen eingestanden. Deshalb gilt auch Siegfried Russwurm, Chef des wichtigen Industriesektors bei Siemens, als möglicher Nachfolger. Wie Kaeser hätte er den Pluspunkt "Stallgeruch", ist zu hören. Dem ehemaligen Merck-Mann Löscher fehlte genau der immer. (dpa)