Berlin. . Die Allianz verteidigt ihre Berechnungsgrundlagen für Lebensversicherungen. Kritik kommt vor allem von Verbraucherschützern. Die Allianz gehe bei Neukunden von einer völlig unrealistischen Lebenserwartung von 102 Jahren aus.

Die Lebensversicherung ist in die Kritik geraten, weil die garantierte Verzinsung so niedrig geworden ist oder gar ganz wegfällt. Alf Neumann, Vorstandsmitglied der Allianz Lebensversicherungs-AG verteidigt die Vorsorgeform dennoch. Der 47-jährige Mathematiker leitet das Privatkundengeschäft der Versicherung.

Warum sollte sich der Abschluss einer Lebensversicherung noch lohnen, wenn es keine Garantien mehr für den späteren Ertrag gibt?

Alf Neumann: Auch unser neues Produkt „Perspektive“ zeichnet sich durch Garantien aus – wie bereits unsere bisherigen Altersvorsorgeprodukte, die wir alle weiterhin anbieten. Bei „Perspektive“ ist zum einen das eingezahlte Kapital garantiert, sowohl bei Tod als auch am Ende der Ansparzeit. Diese Garantie erhöht sich durch jeden gutgeschriebenen Überschussanteil und das schon nach dem ersten Jahr. Und im Vergleich zu unserem Klassik-Produkt fällt bei „Perspektive“, als Ausgleich für die modifizierte Garantie, die Überschussbeteiligung höher aus. Das ergibt für einen Vertrag mit 30 Jahren Anspardauer eine Mehrleistung von knapp fünf Prozent.

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Zum anderen garantieren wir schon bei Abschluss eine lebenslange Mindestrente. Zu Rentenbeginn wird aus dem gesamten gebildeten Kapital die Rente berechnet. Wir geben also unseren Kunden die Sicherheit, dass ihre Rente nicht unter die anfängliche Mindestrente sinken kann, sich aber dennoch an den zum Rentenbeginn möglicherweise gestiegenen Garantiezins angleicht.

Trotzdem hagelt es Kritik von Verbraucherschützern. Die Allianz geht bei der Berechnung der künftigen Rente von einer Lebenserwartung von 102 Jahren aus. Werden die Kunden so nicht über den Tisch gezogen?

Neumann: Das sind die Berechnungsgrundlagen für die garantierte Rente eines heute neu geborenen Kindes, für ältere Kunden werden geringere Lebenserwartungen angesetzt. Wenn sich die Lebenserwartung anders entwickelt, werden die durch die vorsichtige Kalkulation entstehenden Risikoüberschüsse zu mindestens 75 Prozent an die Versicherten ausgeschüttet. Bei uns bekommen die Kunden aktuell deutlich über 90 Prozent aller Kapitalerträge und Überschüsse.

Warum kommt das Statistische Bundesamt bei der Altersprognose zu anderen Ergebnissen?

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Neumann: Das Statistische Bundesamt prognostiziert die Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung. Die Kunden der Lebensversicherungen setzen sich jedoch nicht aus allen Bevölkerungsteilen gleichermaßen zusammen. Sie sind gesünder und leben deutlich länger. Außerdem zeigen die letzten 140 Jahre, dass die Lebenserwartung jährlich um zwei bis drei Monate ansteigt. Das müssen wir in unseren Berechnungen der Garantie berücksichtigen. Kommt es anders, so profitieren vor allem die Kunden davon. Politiker treibt die Sorge um, dass einzelne Versicherungen pleite gehen könnten, weil die hohe Garantieleistungen aus früheren Jahren nicht mehr erwirtschaften können.

Ist die Sorge berechtigt?

Neumann: Für die Allianz besteht kein Anlass zur Sorge. Wir haben ausreichend viele Reserven und Rückstellungen gebildet. Die Puffer helfen uns, die Erträge für unsere Kunden stabil zu halten. Immerhin gab es auch für das vergangene Jahr eine Überschussbeteiligung von 4,2 Prozent. Das ist weit mehr als die Zinsen für deutsche Staatsanleihen, die nur wenig mehr als ein Prozent einbringen. Für andere Unternehmen kann ich nicht sprechen, insgesamt ist die deutsche Lebensversicherung aus meiner Sicht gut aufgestellt. Aber natürlich müssen alle Unternehmen mit dem niedrigen Zinsniveau leben.

Wie erwirtschaften Sie deutlich höhere Erträge als jene ein Prozent?

Neumann: Wir verwalten ein Anlagevermögen von 180 Milliarden Euro und haben hohe Gesamtreserven. Das ist die Stärke unserer Gesellschaft. Deutsche Staatsanleihen sind für uns derzeit kein Thema. Wir investieren in Anleihen vieler europäischer Länder, außer in Krisenstaaten wie Griechenland. Dazu legen wir das Vermögen in Unternehmensanleihen an und steigen in alternative Investments ein. Dazu gehören Windparks, Gaspipelines oder Einkaufszentren. Sogar mit Parkuhren in Chicago erwirtschaften wir einen Zugewinn für unsere Kunden. Wir suchen Infrastrukturanlagen, die sehr langfristig sind und stetige Erträge einbringen und somit gut zu unseren Verpflichtungen gegenüber den Kunden passen.

Langfristig denkende Investoren stürzen sich auf die Agrarwirtschaft. Spekulieren Sie mit dem Geld der Versicherten auf den Hunger in der Welt?

Neumann: Die Allianz spekuliert generell nicht mit dem Hunger. Für die Allianz Lebensversicherung spielen zudem die in Diskussion befindlichen Investitionen im Agrarsektor keine Rolle. Wir sind dort nicht engagiert und planen dies definitiv auch nicht.

Ist die Finanzkrise jetzt eigentlich vorbei oder drohen neue Schocks?

Neumann: Wir gehen von einer Stabilisierung aus. Darauf deuten die derzeitigen Wirtschaftsdaten hin. Die politische Debatte ist dagegen meines Erachtens noch nicht beendet. Europa wird hier noch gute Lösungen für das Finanzsystem finden. Am Bestehen des Euro haben wir keine Zweifel.