Hagen. . Der demografische Wandel lässt Arbeitskräfte rar werden und erhöht deren Chancen in vielen Mangelberufen. Vor allem technisch begabte junge Menschen werden es leicht haben, nach Schule und Studium einen Job zu finden, sagen Experten. Sie sehen goldenen Zeiten entgegen.
Was für ein Wandel: „Gute bis sehr gute Aussichten auf dem künftigen Arbeitsmarkt“ bescheinigt Robert Helmrich den jungen Leuten, die heute zur Schule gehen. Der Mann vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn ist einer der Experten, die von den Jobs der Zukunft wirklich etwas verstehen.
Für sie ist klar: Das Problem der Arbeitslosigkeit tritt zunehmend in den Hintergrund. „Wenn sich die Trends wie bisher weiterentwickeln, könnte im Jahr 2030 in Deutschland Vollbeschäftigung herrschen“, so Helmrich.
Sicher: Vorhersagen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Aus heutiger Sicht freilich wird das Angebot an Arbeitskräften in Deutschland bis 2025 um 6,7 Millionen Personen abnehmen. Das sind etwa 16 Prozent der zurzeit arbeitenden 41,5 Millionen Menschen.
Der wesentliche Grund liegt in der Veränderung der Bevölkerungsstruktur: Die Baby-Boomer-Generation der 1960er-Jahre geht während der nächsten zwei Jahrzehnte in Rente. Dann rücken weniger Junge nach. Deshalb werden Unternehmen und Institutionen in Deutschland teilweise erhebliche Probleme bekommen, freiwerdende Stellen zu besetzen – unter der Voraussetzung, dass es keine lange, tiefe Wirtschaftskrise gibt.
Arbeitgeber werden sich um Berufsanfänger reißen
Läuft aber alles normal, bedeutet das für künftige Berufsanfänger grundsätzlich: Die Arbeitgeber werden sich um sie reißen. Alle, die wollen und einigermaßen auf der Höhe sind, können Geld verdienen. Massenarbeitslosigkeit? Gibt es nicht mehr.
Dieses Phänomen kann sich in vielen Bereichen bemerkbar machen – von einfachen über mittlere bis zu hohen Qualifikationen, in Technik und Produktion ebenso wie in Beratung und Wissenschaft. Besonders gefragt sein dürften Beschäftigte aber im Gesundheitswesen. „Dort rechnen wir bis 2030 mit einem massiven Mangel auf allen Ebenen“, sagt Berufsbildungsforscher Helmrich.
Konkret nennt er Ärzte aller Fachrichtungen, die besonders in ländlichen und ostdeutschen Regionen fehlen. Auch beispielsweise Krankenschwestern und Altenpfleger gibt es dann viel zu wenige. Der Hauptgrund: Hunderttausende zusätzliche Rentner beanspruchen mehr Betreuung und Pflege. Die Nachfrage nach entsprechenden Qualifikationen steigt stark, während das Angebot an Arbeitnehmern nicht mithält.
Goldene Zeiten für MINT-Berufe
Ein etwas differenzierteres Bild bieten die sogenannten MINT-Berufe – mathematische, ingenieurmäßige, naturwissenschaftliche und technische Ausbildungen. Manche Bildungswissenschaftler wie Michael Weegen von der Universität Duisburg-Essen betonen, dass unter anderem Studenten der Elektrotechnik, des Maschinenbaus und der Informatik goldenen Zeiten entgegensehen.
Darin sind sich aber nicht alle einig. Denn bereits jetzt steigt die Zahl der Abiturienten erheblich, die an die Unis gehen. Möglicherweise entsteht dadurch in manchen Bereichen ein Überangebot.
Nicht gelten dürfte das jedoch für den Bereich der mittleren MINT-Qualifikationen – der klassischen Berufsausbildungen mit Lehre, Meisterbrief und technischen Fertigkeiten. „Bei mittleren Qualifikationen wird am ehesten ein Mangel auftreten“, schätzt Gerd Zika vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. „Dann machen sich die Unternehmen Konkurrenz um die Fachkräfte für die Produktion“, so Zika.
Der Rat des Experten: „Geht zur Uni“
Neben der demografischen Situation spielt hier auch eine Rolle, dass Deutschland künftig vermutlich noch mehr Waren auf die Weltmärkte exportieren wird als heute – unter anderem Maschinen und Fahrzeuge. „Irgendwer muss diese Produkte herstellen“, sagt Zika. In Gestalt unbesetzt bleibender Lehrstellen kündige sich das nicht ausreichende Angebot an Arbeitskräften bereits heute an.
Sollten deshalb die Jugendlichen, die heute die Schulen besuchen, danach lieber nicht studieren? So weit will Gerd Zika nicht gehen. Er selbst ist Vater eines 19-jährigen Sohnes, der ein Studium der Chemie aufgenommen hat, und einer 17-jährigen Tochter. „Beiden rate ich: Geht zur Uni“, sagt Zika.
Die akademische Ausbildung vermittle Wissen, das grundsätzlich gute Jobs mit vernünftiger Bezahlung erreichbar mache. Aber die künftigen Berufseinsteiger sollten sich auch mit dem Gedanken anfreunden, später vielleicht noch einmal die Richtung zu wechseln – oder eine Stelle anzunehmen, die nicht unbedingt ihrer akademischen Qualifikation entspricht.