An Rhein und Ruhr. Doppelter Abi-Jahrgang gleich mehr Studenten gleich mehr Bahnfahrer. Diese Rechnung könnte für eine Pendler ab Oktober noch eine ärgerliche Ergänzung bekommen: mehr verspätete Züge. Das gilt Experten zufolge besonders für die Regionalexpresse, S-Bahnen kommen auf bessere Pünktlichkeitswerte.
Zum Semesterbeginn ab Oktober wird es auf den Schienen in NRW noch voller als gewohnt. „Der doppelte Abiturjahrgang, der dann an die Hochschulen geht, wird noch einmal für mehr Fahrgäste sorgen“, so Kai Schulte vom „Kompetenzzentrum Integraler Taktfahrplan NRW“, das seit zwei Jahren bilanziert, wie es um die Qualität des Nahverkehrs bestellt ist.
Eine Bilanz, die zwiespältig ausfällt. Das Positive: Taktfahrplan, moderne Züge und bessere Verbindungen sorgen für mehr Nachfrage auf der Schiene. Zwischen 2010 und 2012 stiegen die Fahrgastzahlen zwischen Duisburg und Düsseldorf um 15 Prozent, zwischen Duisburg und Hamm stiegen sogar 27 Prozent mehr Passagiere zu.
Mehr Züge aufs Gleis zu bringen, geht kaum
Auch interessant
Negative Folge: Längere Aufenthalte zum Ein- und Aussteigen und überfüllte Züge, häufige Verspätungen. Lösungen? Knifflig. Mehr Züge aufs Gleis zu bringen, geht kaum, weil die Strecken bereits ausgelastet sind und schon heute Verspätungen im Fernverkehr auf Regionalzüge durchschlagen.
Die Folge: Gerade die gefragten Regionalexpresslinien sind extrem verspätet. Im Landesschnitt ist jeder sechste Zug zu spät – die Linien im dicht befahrenen Korridor von Köln über Düsseldorf und Duisburg und durchs Ruhrgebiet via Essen, Bochum und Dortmund geraten besonders häufig aus dem Takt. Gegenbeispiel: Auf der von Abellio betriebenen Linie von Essen über Bochum und Hagen fahren 92,5 Prozent der Züge nach Plan.
Hoffen auf den RRX
Am schlechtesten schneidet der Rheinexpress, die Linie 5 ab. Seit 2009 hat sich die Zahl der verspäteten Züge mehr als verdoppelt. Heute ist jeder dritte Zug auf dem Weg von Emmerich über Wesel, Oberhausen, Duisburg und Düsseldorf nach Köln und Koblenz aus dem Takt. Ähnlich miese Werte haben die Linie 1 (Aachen-Düsseldorf--Essen-Dortmund-Paderborn) und 6 (Düsseldorf--Essen-Dortmund-Minden), auf denen mindestens jeder vierte Zug verspätet war. Da die meisten Verspätungen zur Hauptreisezeit eingefahren werden, dürfte die Zahl der betroffenen Fahrgäste prozentual weit höher sein.
Eine durchgreifende Besserung ist nicht in Sicht. Die Hoffnung der Bielefelder Verkehrsplaner, die sich schon bis ins Jahr 2030 Gedanken machen: Nadelöhre beseitigen – und hoffen, dass der Rhein-Ruhr-Express ab 2017, dank neuer Gleise und neuer Fahrzeuge einen Gewinn an Komfort und Pünktlichkeit bringt.
Der Qualitätsbericht Schienenverkehr
Was steht drin?
Der Bericht ist in vier Kapitel unterteilt: Organisation, Qualität auf der Schiene, Qualität der Infrastruktur und Statistiken.
Wo hapert es besonders?
Während S-Bahnen durchweg pünktlicher fuhren als in Vorjahren, fahren Regionalexpresszüge (RE) und Regionalbahnen (RB) häufiger dem Fahrplan hinterher. Trauriger Spitzenreiter: der RE5 von Emmerich über Wesel, Oberhausen, Duisburg und Düsseldorf nach Köln und Koblenz: 32 % der Züge waren mehr als vier Minuten zu spät (+6,4% gegenüber 2011,)). Beim RE1 (von Aachen über Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund nach Hamm und Paderborn waren es 28 Prozent (+2,5%), beim RE6 (Düsseldorf-Duisburg-Essen-Dortmund-Minden) 26,6% (+1%).
Und die S-Bahnen?
Da wird es besser, dank der neuen Triebwagen, die spurtstärker sind. Auf der S1 (Solingen-Düsseldorf-Duisburg-Mülheim-Essen-Bochum-Dortmund) sind 7,8 % der Züge mehr als vier Minuten zu spät. Auf der S2 (Dortmund-Wanne.Eickel-Recklinghausen/Duisburg/Essen fahren mehr als 95 % der Bahnen im Takt. Stark verbessert hat sich die S3 (Oberhausen-Mülheim-Essen-Hattingen). 2009 waren noch 13,8 % der Züge zu spät, jetzt nur noch 2,9. Ebenfalls taktvoller: die S9 (Haltern-Bottrop-Essen-Velbert-Wuppertal) 5,1 % zu spät( 2009: 12,6 &). Schlechter die S6 (Essen-Kettwig-Ratingen-Düsseldorf-Leverkusen-Köln): 12,1 % Verspätungen (2009: 8,7 %).
Woher kommen die Verspätungen?
Häufigster Grund: Stau. Ein verspäteter Fernzug, zuviel Güterverkehr. Das Wetter spielte 2012 weniger eine Rolle, auch Baustellen störten weniger, der Fuhrpark ist mittlerweile recht modern. Ausreißer: Die S68 (Zusatzzüge Wuppertal-Düsseldorf-Langenfeld. 17,1% zu spät, 8% der Bahnen fallen aus. Grund: Wenn DB Regio Personal oder Züge fehlen, wird hier als gestrichen. Personalsorgen haben auch Eurobahn und Nordwestbahn.
Wer fährt die Züge?
Noch immer fahren sieben von zehn Zügen in NRW mit dem Logo der DB-Regio. Größte Konkurrenten mit wachsenden Marktanteilen): Eurobahn (u.a. RE3 Düsseldorf-Duisburg-Oberhausen-Gelsenkirchen-Dortmund, Verspätungsquote:12,1%) Nordwestbahn (u.a. Kleve-Krefeld -Düsseldorf (11,7% Verspätungen, RB 31 Duisburg-Moers-Xanten (8,2% Verspätungen), RE14 Essen-Dorsten-Borken (11,3%), Oberhausen-DU-Ruhrort, RB36, die pünktlichste Bahn! Verspätungsquote: 0,8%.
Wird sich bald etwas ändern?
Die Planer hoffen, dass mit dem Elektronischen Stellwerk in Duisburg Verbesserungen einhergehen, dazu mehr Weichen, die zwischen Mülheim und Bochum den Verkehr flexibler machen. Nötig ist nach Meinung der Planer ein zweites Gleis im Tunnel der S6 bei Hösel sowie auf der Linie S9 bei Bottrop über den Rhein-Herne-Kanal und natürlich der Ausbau Oberhausen-Wesel-Emmerich, damit Güterzüge den Verkehr nicht noch mehr aus dem Takt bringen. Klar ist auch: Mehr Geld für Züge wird es absehbar nicht geben. „Wir sind froh, wenn wir das Angebot halten können“, so Kai Schulte vom Kompetenzzentrum Taktfahrplan.
Wann kommt der nächste Schritt?
Ab 2016 wird der Verkehr am Niederrhein neu geordnet. Der RE5 von Koblenz soll in Wesel enden, dafür die Linie RB 35 von Düsseldorf über Wesel und Emmerich bis nach Arnheim führen – und wenn Geld da ist für eine Elektrifizierung, könnte in Wesel der Zug geteilt werden und eine Hälfte weiter nach Bocholt fahren.
Wo erfahre ich mehr?
Der Bericht ist im Internet abrufbar: