Die Spekulation über einen Einstieg der RAG-Stiftung bei Thyssen-Krupp hat diese Woche einen Höhepunkt erreicht. Eine Analyse mit Augenzwinkern - und zehn Mal Für und Wider.

Es ist dies die Geschichte vom Weißen Ritter zu Rüttenscheid, der das Zeichen W.M. auf dem Schilde führt. Und es ist die Geschichte der Burg zum Hügel, die arg in Bedrängnis geraten ist, da der Zehnte nicht mehr fließen will. Am düsteren Himmel über Ruhrland zeichnet sich gar Schlimmes ab, denn der Herrscher auf der Burg, er könnte Einfluss auf seine Besitztümer verlieren, womit, weil er Gutes tut, Ruhrland Schaden drohte.

Was der Weiße Ritter aus dem Tal aufmerksam beobachtet, nicht ohne innere Bewegung, schließlich ist er Weißer Ritter von Herkunft und Stolz, also einer der Hilfreichen. Wenn er nur um Hilfe gefragt würde vom Herrscher auf dem Hügel, nichts hielte ihn auf, seinen Rappen zu besteigen und in die Schlacht um Ruhrland zu ziehen.

Darf sich die RAG-Stuftung direkt an Unternehmen beteiligen

Schnitt. Wir schreiben den 12. Juli 2013. Die Zeitungen befassen sich ausgiebig mit der Frage, ob die RAG-Stiftung unter ihrem Vorsitzenden Werner Müller bei Thyssen-Krupp einsteigen könnte. Für Aufregung hatte eine Äußerung Müllers vor der SPD-Fraktion im Landtag gesorgt, wonach eine direkte Beteiligung an Unternehmen wie Thyssen-Krupp möglich sei.

Neu war das aber nicht, denn seit Gründung der Stiftung 2007 gilt ihre Satzung, übrigens maßgeblich verfasst von Müller selbst und dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Und dort heißt es in Paragraf 3, Absatz 6, dass indirekte und direkte Beteiligungen an Unternehmen erlaubt sind. Dort steht aber auch, dass die Anlagen der Stiftung möglichst großer Sicherheit und Rentabilität genügen müssen.

Könnte nun die RAG-Stiftung im Sinne ihres Stiftungszweckes – nämlich ihr Vermögen so zu mehren, dass damit die Ewigkeitskosten des Bergbaus wie das dauerhafte Abpumpen von Grubenwasser zu bezahlen sind – Thyssen-Krupp-Aktien kaufen, falls das angeschlagene Unternehmen über eine Kapitalerhöhung frisches Geld braucht? Und würde die RAG-Stiftung quasi als weiterer Anker-Aktionär neben der Krupp-Stiftung damit eine womöglich drohende Übernahme von Finanzinvestoren samt Zerschlagung des Konzerns verhindern können?

Inzwischen bewegt das Thema die Landes- und Bundespolitik, obschon es keinerlei unmittelbaren Kontakt unter den Beteiligten gegeben hat; und Thyssen-Krupp zwar eine Kapitalerhöhung nicht ausschließt, aber zuvor drängende Probleme zu bewältigen hat wie den Verkauf der Desaster-Investitionen in Brasilien und den USA sowie die Erledigung der Kartellfälle. Gleichwohl halten Beobachter eine Kapitalerhöhung für wahrscheinlich, der Umfang dürfte vom Verkaufspreis der Stahlwerke in Übersee abhängen. Und möglicherweise – was man aber nicht genau weiß – hat die Krupp-Stiftung das Geld nicht, um über Aktienkäufe ihren Schutzwall gegen Übernahmen, die Sperrminorität von 25,3 Prozent, aufrecht zu halten.

Zehn Mal Für und Wider:

1. ... würde sicherlich die RAG-Stiftung – über das Kuratorium politisch kontrolliert – ein freundlicherer Partner sein als manch anderer Kapitalist. Was die Arbeitnehmerseite prima findet.

2. ... birgt eine kapitalistische Beteiligung über Aktien dennoch auch das Risiko, mit verantwortlich zu sein für harte Umbaumaßnahmen. So etwas liebt die Politik gar nicht.

3. ... könnte es sein, dass Thyssen-Krupp bereits über einige Ankeraktionäre verfügt, die zwei oder drei Prozent halten und der Strategie von Vorstandschef Heinrich Hiesinger folgen. Damit wäre das Zerschlagungsszenario keines.

4. ... ist Thyssen-Krupp gar nicht recht, als rettungsbedürftiger Konzern durch die Presse gejagt zu werden.

5. ... verkörpert Hiesinger den Anti-Ruhrbaron und löst den Konzern derzeit sanft aus der Umklammerung der Krupp-Stiftung unter dem Patriarchen Berthold Beitz. Ein Interesse an zwei Ruhrbaronen im Umfeld des Unternehmens dürfte er kaum haben.

6. ... ist der Vorgang hochpolitisch, weil die RAG-Stiftung als Mehrheitseigentümer von Evonik quasi Sachwalter des Vermögens des Steuerzahlers ist und für die Folgekosten des Bergbaus aufkommen muss.

7. ...muss die Stiftung deshalb ihre derzeit zwei Milliarden Euro nicht nur sicher, sondern auch zu anständigen Zinsen anlegen. 2012 brachten die Finanzanlagen 7,7 Prozent Rendite; eine Investition lediglich in schlapp verzinste Bundesschatzbriefe würde angesichts der Inflationsrate 200 Millionen Euro Kapital vernichten.

8. ... folgt daraus, dass renditeträchtigere Beteiligungen an Unternehmen entsprechend der Satzung oder Unternehmensanleihen notwendig sind. Mit Schatzbriefzinsen kommt die Stiftung nicht hin.

9. ... muss aber der RAG-Stiftung auch Rendite in Cash zufließen. Es gibt aber keine Garantiedividende seitens Thyssen-Krupp. Die könnte es nur dann geben, wenn das Unternehmen Vorzugsaktien unter Ausschluss der Altaktionäre ausgibt.

10. ... bliebe die Möglichkeit eines Darlehens an die Krupp-Stiftung. Das aber könnte sich die Stiftung möglicherweise auch anderswo besorgen.