Essen. . Die Baumarktkette Praktiker ist pleite. Ständige Rabattschlachten und Führungsquerelen haben das Unternehmen in den Ruin getrieben. Noch in der Schwebe hängen einige Praktiker-Filialen, die gerade in Max-Bahr-Märkte umfirmiert werden. Der Umbau soll vorerst gestoppt werden.

Das Rindenmulch-Beet ist frisch gemacht, darauf grüßen ausladende Gartenzwerge zwischen akkurat frisierten Buchsbäumchen. „50 Prozent auf alle Pflanzen“ preist ein Schild. „Dass die noch aufhaben, hätt’ ich nicht gedacht. Die sind pleite, hab ich heut’ morgen im Radio gehört“, sagt ungefragt ein reiferer Herr, der eine leere Gasflasche in den Baumarkt schiebt. Durch einen Wald aus grellgelben Schildern. „Hier spricht der Preis“, steht auf einem. Nur, wie lange noch?

Die Insolvenz ihres Arbeitgebers traf die Mitarbeiter dieses Marktes im Essener Süden völlig unvorbereitet. Auch sie haben es am Morgen im Radio gehört oder in der Zeitung gelesen. Sie dürfe nichts sagen, sagt die Dame an der Information, „wir wissen ja noch überhaupt nichts“. Später sagt der Marktleiter, man arbeite ganz normal weiter. Auch ihn hatte niemand vorgewarnt.

„25 Prozent auf alles ohne Stecker“

Die schlimme Nachricht kommt aus Hamburg, der Praktiker-Zentrale. Die Baumarktkette hat sich für zahlungsunfähig erklärt und beim Hamburger Amtsgericht einen Insolvenzantrag für die 164 deutschen Praktiker- sowie die 14 Extra Bau- und Hobby-Märkte mit rund 6000 Beschäftigten gestellt. Nicht insolvent sind Auslandstöchter und die 132 Märkte der Schwesterkette Max Bahr mit ebenfalls 6000 Beschäftigten. Allerdings dient diese Ertragsperle den Banken als Sicherheit für ihre Kredite an Praktiker, sie ist somit indirekt doch betroffen, könnte etwa verkauft werden.

Noch in der Schwebe hängen einige Praktiker-Filialen, die gerade in Max-Bahr-Märkte umfirmiert werden. Der Umbau werde vorerst gestoppt, erklärte eine Konzernsprecherin, ob es weiter gehe, entscheide der Insolvenzverwalter.

Was gestern offenbart wurde, zeichnete sich schon lange ab. Immer aggressivere und schneller aufeinander folgende Rabattaktionen ließen auf klamme Kassen schließen. Wenn die deutsche Stimme von Bruce Willis „25 Prozent auf alles ohne Stecker“ durchs Radio hauchte, lockte das Kunden an, ließ Branchenkenner aber nichts Gutes erahnen. Denn dass diese Aktionen zwar schnellen Umsatz bringen, aber die Gewinne auffressen, war seit 2010 bekannt. Da stampfte Praktiker den alten Slogan „20 Prozent auf alles außer Tiernahrung“ ein, nannte ihn offiziell eine falsche Strategie, die man ändern wolle.

2011 kehrten die Rabattaktionen zurück

Aber nicht lange. Mit dem Karstadt-Sanierer Thomas Fox kehrten 2011 auch die Rabattaktionen wieder. Die Eigentümer setzten zudem über den Aufsichtsrat den nächsten Kurswechsel durch: Die Hälfte der 240 Praktiker-Märkte sollten in Max-Bahr-Filialen umgewandelt werden und vom besseren Image der profitablen, edlen Schwestermarke profitieren. Rund 60 wurden bis heute umgeflaggt. Von den verbliebenen Praktiker-Märkten machten einige zu, der Rest sollte noch mehr als bisher auf Discount setzen. Die gescheiterte Strategie wurde also nicht nur wiederbelebt, sondern auch noch verschärft.

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Die Zahlen besserte das nicht, auch Fox musste gehen, es folgte im Mai 2012 der frühere Hertie-Chef Kay Hafner – und schmiss nach nur fünf Monaten und ständigem Streit mit und zwischen den Eigentümern hin. Zuletzt versuchte sich der frühere Aldi-Manager Armin Burger an der Sanierung. Erfolglos – allein im ersten Quartal schrieb die Kette 118 Millionen Euro Verlust.

Nun ging Praktiker das Geld aus – auch wegen des miserablen Frühjahrsgeschäfts. 25-Prozent-Aktionen noch im Mai und Juni sowie ein vorzeitiger Sommerschlussverkauf mit Rabatten bis zu 70 Prozent waren die letzten verzweifelten Versuche, die leere Kasse zu füllen. Eine ruinöse Strategie. Die Banken mit der Commerzbank an der Spitze und andere Gläubiger drehten nun den Geldhahn zu. Die Wiener Fondsmanagerin und Aktionärsvertreterin Isabella de Krassny gab ihnen die Schuld. Wie es hieß, wären die österreichischen Gläubiger durchaus bereit gewesen, Geld nachzuschießen.

Die Dame vom Imbisswagen hat es geahnt

Die Dame vom Imbisswagen am Eingang der Essener Filiale hat das geahnt. Für sie seien die Rabattaktionen gut gewesen, „dann war es hier immer voll“. Seit zwei Jahren verkauft sie hier Currywürste und Pommes an Heimwerker. Wenn der Praktiker hier schließe, drohe auch ihr der Jobverlust, sagt sie.

Doch besiegelt ist das noch nicht, zunächst bleiben die Märkte geöffnet. Ziel des Insolvenzverfahrens sei die Sanierung, sagte Isabella de Krassny gestern der „Wirtschaftswoche“. Weitere 80 Praktiker-Märkte müssten dann aber schließen.

Möglich sind auch Übernahmen durch die Konkurrenz. Obi hat aber bereits abgewunken, ist allenfalls ein einzelnen Standorten interessiert. Karl-Erivan Haub, Chef der Obi-Mutter Tengelmann, geißelte das Billig-Image. In Anspielung auf Praktiker-Chef Burger, der die Rabattaktionen selbst zuletzt als „Droge“ bezeichnet hatte, zu der man zwecks Geldbeschaffung greifen müsse, sagte Haub: „Der Drogenabhängige ist gestorben.“