Berlin. . Deutschland profitiert von den niedrigen Zinsen und der hohen Zahl der Beschäftigten. Die Neukreditaufnahme im Entwurf für den Bundeshaushalt 2014 beträgt nur 6,2 Milliarden Euro bei Gesamtausgaben von 295 Milliarden Euro. Das weckt Begehrlichkeiten bei Politikern - gerade im Wahlkampf.

Wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den vergangenen Jahren den Bundeshaushalt präsentierte, war ein Satz Standard: „Finanzielle Spielräume gibt es nicht.“ Die Finanzkrise ließ grüßen, die steigende Staatsverschuldung ebenso. Jetzt ist es plötzlich anders. Im Finanzministerium an der Berliner Wilhelmstraße heißt es: „Die Spielräume sind beschränkt.“ Also gibt es wieder welche.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas geht es dem deutschen Staat finanzpolitisch sehr gut. Am kommenden Mittwoch will das Bundeskabinett einen Haushaltsplan für 2014 beschließen, der mehr oder weniger ausgeglichen ist. Einnahmen von 289 Milliarden Euro stehen Ausgaben von 295 Milliarden gegenüber. Nur 6,2 Milliarden Euro werden neu aufgenommen.

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2015 dann soll ein Zustand eintreten, den es seit 1969 nicht mehr gab: Der Bund verschuldet sich nicht zusätzlich, sondern erwirtschaftet einen Überschuss. Wenn es nach Schäuble und seinem Staatssekretär für Haushaltsfragen, Werner Gatzer, geht, steigt der jährliche Überschuss im Finanzplan bis 2017 auf fast zehn Milliarden Euro an.

Die Einnahmen steigen, die Arbeitslosigkeit geht zurück

Dieses Ergebnis basiert vornehmlich auf der für Deutschland trotz Finanzkrise guten Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre. Die Staatseinnahmen steigen, und die Ausgaben für Arbeitslosigkeit gehen zurück. Hinzu kommt, dass Deutschland gerade auch durch die Krise zusätzlich profitiert.

Weil internationale Investoren viel Kapital in vergleichsweise sichere deutsche Staatsanleihen stecken, muss die Bundesschuldenverwaltung weniger Zinsen zahlen als geplant. Dafür reserviert Schäuble 2014 nur 29 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2008 betrug der Schuldendienst über 40 Milliarden Euro. Verkehrte Welt: Deutschland verzeichnet Überschüsse, weil die Investoren andere Länder für wenig vertrauenswürdig halten.

Auch deutschen Unternehmen geht es besser als ihren Konkurrenten im europäischen Ausland. Zwei Gründe spielen eine Rolle: Die Kosten für Kredite sind hierzulande geringer, und die traditionell starke deutsche Exportindustrie profitiert vom relativ niedrigen Außenwert des Euro, der die Ausfuhren verbilligt.

Dadurch steigen die Gewinne und schließlich auch die Steuereinnahmen im Bundeshaushalt. Andererseits sinken die Kosten für Sozialausgaben, weil nun 41,5 Millionen Menschen in Deutschland einer Lohnarbeit nachgehen. So kann der Zuschuss zum Gesundheitsfonds der Krankenversicherungen 2014 um 3,5 Milliarden Euro gekürzt werden.

Staatsverschuldung liegt inzwischen bei über 2000 Milliarden Euro.

Schäuble und Gatzer schlagen nun vor, die geplanten Überschüsse – wenn sie denn tatsächlich eintreten – in den kommenden Jahren zu verwenden, um alte Schulden zurückzuzahlen. Insgesamt liegt die Staatsverschuldung mittlerweile bei über 2000 Milliarden Euro.

Neue Schulden für Fluthilfe

Der mit acht Milliarden Euro dotierte Fluthilfefonds von Bund und Ländern wird ausschließlich über neue Schulden finanziert. Das Bundeskabinett beschloss am Montag in einer Sondersitzung ein entsprechendes Fondsgesetz. Danach wird der Bund den „Fonds Aufbauhilfe“ zunächst komplett vorfinanzieren und dafür die geplante Neuverschuldung in diesem Jahr von 17,1 auf 25,1 Milliarden Euro erhöhen.

Aus dem Topf werden Hilfen von bis zu acht Milliarden Euro für Privathaushalte und Unternehmen ebenso finanziert wie der Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur, vor allem von Straßen und Schienen. Wer genau Anspruch hat, wird noch in einer Rechtsverordnung festgelegt. Das Fondsgesetz soll am Dienstag im Bundestag beraten werden. Bis zum 5. Juli sollen dann Bundestag und Bundesrat ihre Zustimmung geben.

Die Details für die Abwicklung des Fonds müssen Bund und Länder allerdings noch aushandeln, parallel sollen die Schäden exakt ermittelt werden. Der Bund ist den Ländern entgegengekommen, indem er zugesagt, hat, dass er den Wiederaufbau seiner Infrastruktur alleine bezahlt. Die Länder beteiligen sich insgesamt mit 3,25 Milliarden Euro, die sie innerhalb von 20 Jahren abbezahlen müssen.

Aber es gibt auch andere Vorschläge, beispielsweise des grünen Europa-Parlamentarier Sven Giegold. Dieser verlangt, Deutschland solle mehr Geld aufwenden, um Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit im Euroraum zu bekämpfen. „Den Menschen in den Krisenländern wurde bislang nicht ernsthaft geholfen“, kritisiert Giegold unter anderem im Hinblick auf die deutschen Bemühungen, den gemeinsamen Haushalt der EU zu drücken, statt auszuweiten.

Solche Argumente freilich will das Finanzministerium nicht gelten lassen. Auf verschiedenen Wegen unterstütze man andere Euroländer mit Milliarden, heißt es. So überweise die Bundesbank im laufenden Jahr fast 600 Millionen Euro weniger an den Bundeshaushalt als möglich, weil man dieses Geld der griechischen Regierungen zur Schuldentilgung gebe. Außerdem stelle Deutschland dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM 22 Milliarden Euro zur Verfügung – gar nicht zu reden von Bürgschaften zugunsten verschuldeter Staaten, die dreistellige Milliardenbeträge erreichen.

Haushaltspolitiker raten zum Sparen - trotz Wahlkampf

Die Debatte, wieviel Geld man für schöne Dinge ausgeben kann, wird in den kommenden Monaten andauern. Schließlich herrscht Bundestagswahlkampf. Die CDU beispielsweise plädiert dafür, das Kindergeld und den steuerlichen Freibetrag für Kinder zu erhöhen. Die SPD will mehr Geld für Bildung ausgeben. Und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wies am Montag daraufhin, dass dringend Milliarden Euro in die Infrastruktur – Verkehrswege, Datenleitungen, Schulen – investiert werden müssten, damit die Substanz nicht verfalle.

Ob dieser neuen Euphorie sind aber auch warnende Stimmen zu vernehmen. SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider mahnte: „Die Finanzplanung am Ende einer Legislaturperiode ist immer mit Vorsicht zu genießen“. Die Regierung neige dazu, ihr Erbe schönzumalen. Ob der Bundeshaushalt wirklich von den roten in die schwarzen Zahlen schwenke, sei noch nicht ausgemacht, so Schneider. Unter anderem könne ein drittes Griechenland-Hilfspaket oder ein Schuldenschnitt für Athen auch neue Belastungen für den Bundeshaushalt mit sich bringen.