Nürnberg. Jahrelang hatte der deutsche Arbeitsmarkt konjunkturelle Schwächephasen ohne größere Blessuren weggesteckt - jetzt hinterlässt die Beinah-Rezession auch dort ihre Spuren. Die Zahl der offenen Stellen sinkt seit Monaten - im Mai setzte sich der Trend fort.

Der ins Stottern geratene Konjunkturmotor veranlasst immer mehr Unternehmen dazu, geplante Einstellungen erst einmal auf Eis zu legen. Nach Angaben der Bundesagentur vom Dienstag sank im Mai das Stellenangebot in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit dem Herbst 2010. Der von der Bundesbehörde ermittelte BA-Stellenindex BA-X lag im Mai nur noch bei 144 Punkten; das sind drei Zähler weniger als im April. Im Vergleich zum Vorjahr lag der Index um 27 Punkte im Minus. Die Arbeitslosenzahlen für Mai veröffentlicht die Bundesagentur erst an diesem Mittwoch (29. Mai).

Trotzdem gebe es noch immer viele freie Stellen. Auch im langjährigen Vergleich sei die Lage noch immer ausgesprochen gut, betonte die BA. Neben dem Groß- und Einzelhandel suchten Bauinstallationsbetriebe und die Gastronomie Kräfte. Auch im Gesundheits- und Sozialwesen seien Stellen unbesetzt. Tendenziell sei die Nachfrage nach Arbeitskräften aber in vielen Branchen rückläufig, räumt die Bundesagentur ein. Vor allem Zeitarbeitsunternehmen suchten weniger Mitarbeiter als noch vor einem Jahr.

Erwerbslosenzahl wird wohl wieder unter Drei-Millionen-Marke sinken

Unterdessen rechnen Experten nach dem lang anhaltenden Winter im Mai erstmals mit einem kräftigen Frühjahrsaufschwung. Die Zahl der Erwerbslosen werde damit wieder unter die Drei-Millionen-Marke sinken. Insgesamt seien im Mai bundesweit 2,91 Millionen Frauen und Männer ohne Arbeit gewesen, berichteten Volkswirte deutscher Großbanken in einer dpa-Umfrage. Dies wären zwar rund 110.000 Arbeitslose weniger als im April, aber rund 55.000 mehr als vor einem Jahr. Zuletzt hatte die Zahl der amtlich registrierten Erwerbslosen im Dezember 2012 unter der psychologisch wichtigen Drei-Millionen Marke gelegen.

Konjunkturell seien die Bedingungen für den Arbeitsmarkt aber weiter ungünstig, betonen die Fachleute. "Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass bei vielen Unternehmen die Begeisterung für Investitionen nicht da ist", betonte Commerzbank-Volkswirt Eckart Tuchtfeld. In vielen Chefetagen sei noch immer die Verunsicherung über die Staatsschuldenkrise groß. "Auch ist bei vielen Firmen die Auftragslage gedämpft."

Experten rechnen mit neuen Arbeitsplätzen

Wie die meisten seiner Kollege rechnet Tuchtfeld daher auch für den Rest des Jahres mit einer Stagnation auf dem deutschen Arbeitsmarkt. "Im Juni wird die Zahl saisonbereinigt noch mal steigen, danach werden wir uns bis zum Jahresende an einer Null-Linie entlang bewegen", prognostiziert er. Etwas zuversichtlicher schätzt Allianz-Volkswirt Rolf Schneider die weitere Entwicklung ein. Er hält es für wahrscheinlicher, dass mit dem Anziehen der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte auch wieder neue Arbeitsplätze entstehen. Dadurch könnte die Zahl der Erwerbslosen im Jahresverlauf auf bis zu 2,77 Millionen sinken. (dpa)