Berlin. Rund zwei Monate nach der Ausstrahlung einer ARD-Doku über die Arbeitsbedingungen bei Amazon hat der Deutschland-Chef des Unternehmens Fehler eingeräumt. Amazon habe seine Aufsichtspflicht in dem konkreten Fall “nicht ausreichend erfüllt“, sagte Ralf Kleber in einem Interview.

Der Deutschland-Chef des Online-Kaufhauses Amazon, Ralf Kleber, hat Fehler bei der Unterbringung von Leiharbeitern am Logistikzentrum Bad Hersfeld eingeräumt. Amazon habe seine Aufsichtspflicht in dem konkreten Fall "nicht ausreichend erfüllt", sagte Kleber in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochsausgabe). "Da hätten wir genauer hinsehen müssen." Amazon habe auf einen Fernsehbericht über Missstände bei der Unterbringung von Leiharbeitern aber reagiert und "dies korrigiert".

Im Februar war eine ARD-Fernsehreportage über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Leiharbeitern am Amazon-Standort in Bad Hersfeld ausgestrahlt worden. Die Saisonarbeiter sollen dem Bericht zufolge von privaten Sicherheitsdiensten schikaniert worden sein. Amazon kündigte daraufhin der Sicherheitsfirma und ließ den Vertrag mit der für die Unterbringung der Leiharbeiter zuständigen Firma auslaufen.

Amazon hat wohl nur wenige Kunden durch die Doku verloren

Bei Insiderberichten über mutmaßliche Gängelung und Einschüchterung von Mitarbeitern handele es sich um "Einzelfälle", sagte der Geschäftsführer. "Wenn wir von Missständen erfahren, dann schaffen wir sie ab", fügte er hinzu. Auf die Frage nach E-Mails von Kunden, die Fragen zu den Arbeitsbedingungen hatten und deren Amazon-Konto daraufhin gelöscht worden sei, antwortete der Deutschland-Geschäftsführer, dass auch dies Einzelfälle gewesen sein müssten. "Das hätte definitiv nicht so laufen sollen und war keine Absicht." Amazon habe durch die Reportage aber nur "wenige" Kunden verloren.

Mit Blick auf die drohenden Streiks an den Amazon-Standorten Bad Hersfeld und Leipzig bekräftigte Kleber seine Ablehnung, seine Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag des Einzelhandels zu bezahlen. Bei den Amazon-Versandzentren handele es sich um Logistikunternehmen, bei der Bezahlung liege Amazon im Vergleich zu anderen Logistikfirmen "am oberen Ende".

"Wir haben außerdem ein anderes Bezahlmodell, das in vielerlei Hinsicht attraktiver ist als das, was der Tarif bietet", sagte Kleber mit Verweis auf Boni und Aktien, die nach zweijähriger Betriebszugehörigkeit an Mitarbeiter ausgegeben würden. "Das wollen wir beibehalten."

Verdi will einen Tarifvertrag für die Amazon-Beschäftigten erreichen

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will für die Amazon-Beschäftigten eine höhere Bezahlung erreichen, die dem Branchen-Tarifvertrag des Einzel- und Versandhandels entspricht. Bisher gibt es in den deutschen Amazon-Standorten keine Tarifbindung. Amazon orientiert sich an der Bezahlung in der Logistikbranche.

Auch interessant

Der US-Internethandel-Gigant Amazon betreibt in Bad Hersfeld nordöstlich von Frankfurt am Main in Hessen zwei Logistikzentren, die nach Firmenangaben eine Lagerfläche von zusammen mehr als 20 Fußballfeldern haben. Insgesamt betreibt Amazon in Deutschland acht Logistik- und Versandzentren, dazu zwei Kundenzentren für die Bestell- und Bezahlvorgänge sowie eine Zentrale in München. Amazon ist der weltweit führende Onlinehändler. Der Konzern beschäftigt in Deutschland 9000 Mitarbeiter und weltweit über 88.000 Mitarbeiter. (afp)