Duisburg. . EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) kritisiert beim Duisburger Energiekongress die deutsche Risikoscheu beim Thema Fracking. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg warnte Deutschland vor einer schleichenden Deindustrialisierung.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat Deutschland und Europa vor einer schleichenden Deindustrialisierung gewarnt und mehr Offenheit auch gegenüber umstrittenen Energieformen gefordert. „Wir muten uns nichts mehr zu. Wir müssen auch wieder Risiken eingehen“, sagte Oettinger im Hinblick auf die deutsche Skepsis gegen die Gasfördertechnik Fracking und die CO2-Abscheidung- und Speicherung CCS bei einem Energiekongress der Industrie- und Handelskammern am Montag in Duisburg.
Während die USA immer mehr in die Förderung von Sandgas und unkonventionellem Erdgas investierten, gehe die industrielle Wertschöpfung in Europa immer weiter zurück, kritisierte der Energiekommissar. Angesichts der deutschen Debatte um die Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Energien, so Oettinger, werde überhaupt auch nicht mehr über den künftigen Erdölbedarf geredet.
Eindringlich forderte er zudem die Deutschen auf, sich nicht von Kohlekraftwerken zu verabschieden: „Wer die Atomkraftwerke abschaltet, kann nicht gleichzeitig die Kohle abschaffen“, erklärte Oettinger. „Wer das fordert, sägt an seinem eigenen Ast.“ Auch bei der Gasversorgung müsse Deutschland aufpassen. Mit den Vorbehalten gegen Fracking verzichte man hierzulande auf eine eigene Produktion. „Deutschland darf sich aber nicht einbuddeln.“
Lob für NRW-Wirtschaftsminister Duin
Der CDU-Politiker und frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg lobte den NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ausdrücklich als industriefreundlich. Duin verteidigte zuvor die Haltung seiner Regierung zum Fracking: „Mit toxischen Fluiden machen wir es nicht. Wir schlagen die Tür für Fracking aber nicht ganz zu.“ NRW bleibe bei der formulierten Linie, die Einschätzung von Gutachtern über die Schiefergasvorkommen in NRW und die nötige Fördertechnik abzuwarten.
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Auch der Wirtschaftsminister bekannte sich zur Kohle und sprach sich für eine „rentable Betreibung konventioneller Kraftwerke“ aus. Nach Einschätzung von Stephan Kohler, Geschäftsführer der von der öffentlichen Hand und Banken getragenen Energie-Agentur, sind „10 000 bis 12 000 Megawatt konventionelle Kraftwerke in Deutschland erforderlich“, sagte er gestern in Duisburg. Die Schiefergasförderung hierzulande lehnt Kohler indes strikt ab: „Wir brauchen Fracking nicht.“ Der Chef der Energie-Agentur widersprach der Bundesregierung, die von einem Rückgang des Stromverbrauchs um bis zu 25 Prozent in den nächsten Jahren ausgeht. Seine Prognose: „Der Stromverbrauch wird sogar noch zunehmen.“
Kritik an Vielstimmigkeit
Das Kompetenzwirrwarr rund um die Energiewende, das zu Beginn des Kongresses Paul Bauwens-Adenauer, Präsident der IHK NRW, kritisiert hatte, will Duin mit einer ungewöhnlichen Formel auflösen: „Sechzehn plus eins muss eins ergeben.“ Die 16 Bundesländer müssten sich mit dem Bund auf eine Strategie einigen, um den Unternehmen Planungssicherheit zu verschaffen. „Etwas mehr Konzept wäre schon schön gewesen“, stichelte IHK-Präsident Bauwens-Adenauer.
Und EU-Kommissar Oettinger machte in Deutschland launig sogar 18 Energiestrategien aus: die der 16 Länder und die der streitenden Bundesminister Philipp Rösler (FDP) und Peter Altmaier (CDU). Deren Uneinigkeit in der schwarz-gelben Regierungskoalition erschwerte zuletzt auch wichtige Energiedebatten in Brüssel, etwa über die Reform des Emissionshandels.