Essen. . Experten zweifeln die Wirtschaftlichkeit der Schiefergasförderung in Deutschland massiv an. Erst, wenn konventionelles Gas deutlich teurer werden würde, lohne sich die Förderung, so die einhellige Meinung. Es sei denn, die Nachfrage steige weiter.

Der Schiefergas-Rausch in den USA nährt auch in Europa und Deutschland den Traum von preiswerter Energie aus dem Untergrund. Mehr Schiefergas lässt die Preise purzeln und macht von Importen unabhängiger, so die Hoffnungen. Diese Gleichung erscheint so logisch, dass sie kaum angezweifelt wird. Die Kritik an der Schiefergasförderung entzündet sich daher vor allem an der umstrittenen Fördermethode des Frackings mit ihren Risiken für Umwelt, Grundwasser und Erdstöße. Doch abseits der Umweltfragen gibt es in der Fachwelt erhebliche Zweifel, ob sich die Förderung hierzulande überhaupt lohnt.

„Die euphorischen Meldungen der letzten Zeit erscheinen übertrieben“, sagt Florens Flues, Experte für Ressourcen- und Umweltmanagement am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. „Schiefergas wird hier keine große Energierevolution auslösen“, meint er. Grund für seine Skepsis ist eine aktuelle ZEW-Studie zu den Chancen für die Förderung „unkonventioneller Gase“ in Europa – das sind unter anderem Schiefergas und Kohle­flözgas. Rund 200 Fachleute aus der Energiewirtschaft wurden dazu befragt. Fazit: Bei den aktuellen Gaspreisen würde sich das Fracking, also die Förderung von im Gestein sitzenden Gasvorkommen durch das Einpressen von Wasser und Chemikalien, auf absehbare Zeit „überhaupt nicht lohnen“.

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Eine Megawattstunde konventionell gefördertes Erdgas kostet – Stand Januar 2013 – etwa 27 Euro. Die Mehrheit der Energieexperten ist der Ansicht, der Preis müsse dauerhaft auf 40 bis 50 Euro steigen, damit sich die Förderung rechne. Ob der Gaspreis aber in absehbarer Zeit auf diese Marge klettert, sei unwahrscheinlich. Zwar erwarten die Experten in den kommenden fünf Jahren leicht anziehende Preise, doch ein Anstieg über die Gewinnschwelle, der die Ausbeutung von Gasfeldern wie sie im Münsterland und im Ruhrgebiet vermutet werden, sei nicht in Sicht.

Weiter steigender Bedarf

Ursache dafür sei, dass unter anderem in Polen und Russland derzeit Gasfelder mit deutlich geringeren Förderkosten erschlossen werden. Auch die Erwartung, dass die USA Schiefergas exportieren werden, hemme die hiesige Investitionsfreude. Zudem könnten Umweltauflagen und Regulierungen den Förderpreis in der EU hochtreiben, so Florens Flues. Das Fazit der Studie: „Die Hoffnungen auf eine geringere Importabhängigkeit sowie niedrigere Energiepreise könnten sich als Trugschluss erweisen.“

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Dennoch setzt der US-Energiemulti ExxonMobil weiter auf deutsches Erdgas. „Wie sich der Gaspreis in zehn oder zwanzig Jahren entwickelt, kann heute nicht Basis unserer Investitionsentscheidungen sein“, sagt eine Sprecherin. Ein wesentlicher Grund des Engagements sei der weiter steigende Bedarf. Seit 2008 erkundet Exxon in Niedersachsen und NRW Erdgasvorkommen in Gesteinen.

Die Konkurrenz von BNK Petroleum, Wintershall und BG International hat sich ebenfalls Erkundungsgebiete gesichert. Zwar erwartet Exxon, dass der Anteil von Schiefergas an der weltweiten Erdgasproduktion deutlich steigen wird, doch „ob eine Förderung technisch und wirtschaftlich möglich ist, muss sich noch erweisen“, so das Unternehmen.

Auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bleibt in einer neuen Studie zurückhaltend. Ein Anstieg der Produktion mit ähnlichen Auswirkungen wie in den USA sei nicht zu erwarten. Auch sei es „derzeit noch offen, ob es zu einer Schiefergasförderung kommt und wenn ja, in welchem Umfang“.

Stromproduzenten satteln um

Die unsichere Preisentwicklung dämpft den hiesigen Optimismus, doch auch in den USA kämpfen die Gasbohrer offenbar mit Problemen. Zwar ist die Gasförderung dort durch größere und zugänglichere Lagerstätten weniger aufwendig, aber die rasche Steigerung der Fördermengen hat den Gaspreis abstürzen lassen.

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Doch könnte der Gaspreis in den USA schon bald wieder zulegen, erwartet Flues. Ursache sei vor allem die wachsende Nachfrage, denn immer mehr Stromproduzenten steigen auf den billigen Energieträger um. „Und wenn in einigen Jahren die USA ihr Gas exportieren, ist das auch für uns von Vorteil“, glaubt er. Das sorgt für mehr Auswahl bei den Lieferländern und stabilere Preise – ganz ohne Fracking.