Berlin. . Die deutsche Bahn wirbt damit, dass alle Züge im Fernverkehr mit Öko-Strom fahren. Doch es gibt Kritik vom Verkehrsclub Deutschland (VCD): Im Nah- und Güterverkehr kommt nach wie vor Kohle- und Atomstrom zum Einsatz
Der Schienenverkehr gilt als umweltfreundlich, aber ohne Energie kommt kein Fahrgast ans Ziel. Zusammen verbrauchen allein die Züge der Deutschen Bahn jährlich zwölf Terrawattstunden Strom. Mit dieser Menge lässt sich der Großraum Berlin ein Jahr lang versorgen. Die Bahn ist damit der größte Stromverbraucher Deutschlands.
Neuerdings wirbt der Konzern mit einer grünen Bahncard. Die Botschaft dazu verspricht die Verantwortung des Unternehmens für die nächste Generation. Dafür fahren die Züge im Fernverkehr seit Anfang April mit Ökostrom. Alle Fahrten auf Bahncards werden rechnerisch vollständig mit erneuerbarer Energie abgewickelt. Doch ist die Bahncard wirklich so grün, wie die Bahn vorgibt? Experten sehen Schwachpunkte.
Bahn speist Strom aus Wasserkraft in ihr Netz ein
So speist die Bahn vor allem Strom aus Wasserkraft in ihr Netz ein. Dafür wurden langfristige Verträge über große Liefermengen mit Versorgern in Deutschland und Österreich abgeschlossen. Die Stromkonzerne RWE und Eon sind hier dick mit im Geschäft. Zudem fließt Windstrom aus 48 Windrädern ins Bahnnetz. Für vornehmlich Wasserkraft hat sich der Konzern entschieden, weil dessen Produktion gut planbar und gesichert ist. Beim Einsatz von Windkraft blieben Züge bei einer längeren Flaute womöglich auf der Strecke mangels Energie stehen. Das Risiko geht das Unternehmen nicht ein.
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„Das ist ein Quantensprung auf unserem Weg, als Umwelt-Vorreiter den Abstand zu anderen Verkehrsträgern weiter auszubauen“, lobt Bahnchef Rüdiger Grube die grüne Bahncard, von der immerhin fünf Millionen Kunden Gebrauch machen. Die nächsten Ziele: Bis Ende des Jahrzehnts soll gut ein Drittel des Stroms aus regenerativen Quellen kommen, bis Mitte des Jahrhunderts sollen die Züge ohne jeden CO2-Ausstoß fahren.
Nur ein Viertel des Bahnstroms stammt aus regenerativen Energien
Umweltverbände loben das Vorhaben zwar grundsätzlich. „Die Bahn wird für Bahncard-Besitzer zum ökologischsten Verkehrsmittel“, stellt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fest. Von einem Meilenstein könne dennoch nicht die Rede sein, schwächt der VCD das Lob gleich wieder ab. Umweltschützer sehen zwei große Schwachpunkte. Kritisiert wird zum einen der Einsatz bereits vorhandener Wasserkraftwerke. Dieser Ökostrom wird nur zur Bahn umgelenkt und fehlt dann anderswo. Den Vorwurf weist RWE zurück: Allein in diesem Jahr investiere man eine Milliarde Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien.
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Der zweite Kritikpunkt: Unterm Strich stammt bislang nur knapp ein Viertel des Bahnstroms aus erneuerbaren Energien. Im Nahverkehr und bei Gütertransporten ist von einer grünen Zukunft wenig zu sehen. 45 Prozent der Elektrizität kommt aus Kohlekraftwerken, weitere 20 Prozent liefern Atommeiler.
Der VCD wirft der Bahn vor allem die indirekte Förderung des neuen Eon-Kohlekraftwerks in Datteln vor, weil der Konzern auf bestehende Lieferverträge pocht. Weil das neue Kraftwerk wegen juristischer Auseinandersetzungen auf Eis liegt, wurde unlängst die eigentlich abgelaufene Genehmigung für die alten Blöcke in Datteln verlängert – vor allem, um den Bahnstrom zu sichern.