Essen. Microsoft möchte mit seiner neuen Suchmaschine „Bing” die Vormachtstellung von Google brechen. Experten sind verhalten optimistisch, dass der x-te Anlauf klappt. Selbst Microsoft-Chef Steve Ballmer, der sonst nicht als verbaler Leisetreter gilt, gibt sich ungewohnt bescheiden.
10 Tipps für Google
Microsoft als Mauerblümchen – diese Rolle muss der Softwareriese auf dem milliardenschweren Suchmaschinenmarkt bislang einnehmen. Nun bläst der erfolgsverwöhnte Bill-Gates-Konzern einmal mehr zum Angriff auf Suchmaschinenprimus Google.
Am 3. Juni startet der US-Konzern seine neue Suchmaschine „Bing” in den USA. Sie soll Microsofts bisherigen Google-Gegner „Live Search” ersetzen und ist in Deutschland vorerst nur in einer abgespeckten Version verfügbar. „Bing könnte künftig zum Google-Killer werden, wenn die Suchmaschine konkretere Ergebnisse als Google liefert”, sagt Thomas Liskamm, Analyst bei der Dresdner Bank.
Wenig konkrete Suchergebnisse
Genau daran krankt die Internetsuche derzeit. „Die Sortierung bei Google ist manchmal etwas einfältig und einseitig und zu gering an der Anfrage orientiert”, sagt Liskamm. Doch dies scheint nicht nur ein Google-Problem: Laut dem Marktforschungsunternehmen Comscore wird heute ein Drittel aller Suchanfragen unbefriedigt abgebrochen.
Microsoft versucht nun, über die neue Funktion „Instant Answer” sofort treffende Antworten auf offensichtliche Fragen zu liefern. Gibt der Nutzer „Wetter Essen” ein, soll er eine Wettervorhersage bekommen und muss sich nicht durch mehrere Links arbeiten. Zudem gibt es ähnlich wie bei Google verschiedene Suchkategorien, etwa Video, Shopping, News, Maps und Bilder.
"Marktanteil bis zu zehn Prozent"
„Bing könnte relativ schnell einen Marktanteil von bis zu zehn Prozent erzielen”, sagt Liskamm. Auch Suchmaschinenexperte Wolfang Sander-Beuermann sagt: „Wenn Bing konkrete Fragen beantworten kann, dann wird es eine ernstzunehmende Google-Konkurrenz.” Torsten Gerport von der Uni Duisburg-Essen ist skeptisch. „Solange es keinen Quantensprung in der Weiterentwicklung der Suchmaschinen gibt, bleibt die Google-Dominanz ungebrochen.”
Derzeit forscht die Branche laut Sander-Beuermann an drei Trends: der „Antwortmaschine”, dem semantischen Web und der Echtzeitsuche.
"Antwortmaschine", semantisches Web, Echtzeitsuche
Die „Antwortmaschine” liefert Ergebnisse auf Fragen oder Schlagwörter. Ein Beispiel: Wie hoch ist der Mount Everest? Die Maschine spuckt „8850 Meter” aus. Dies könnten universelle Suchmaschinen wie Google oder Bing künftig leisten, sagt Sander-Beuermann. Ähnlich macht es die Suchmaschine Wolfram Alpha, die im Mai gestartet ist und vor allem wissenschaftliche Fakten aufführt.
Komplizierter wird es beim semantischen Web. Wenn der Nutzer Begriffe eingibt, soll die Maschine – vereinfacht gesagt – erkennen, woran dieser denkt und wonach er sucht. Dies könnten am ehesten kleinere Suchmaschinen für Spezialgebiete abdecken, sagt Sander-Beuermann.
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Google - Auf den Spuren von Big Brother?
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Der dritte Weg ist die Echtzeitsuche: Google und Yahhoo etwa bieten derzeit nur die Seiten an, die sie zuvor indiziert haben. Soll heißen: Ganz neue Seiten sind oftmals nicht auffindbar. Der Microblogging-Dienst Twitter hingegen sucht in Echtzeit – allerdings nur in den Inhalten, die Twitternutzer eingetippt haben.
Für die Suchmaschinenbetreiber geht es indes um Milliarden. Nach Berechnungen der Agentur Zenith Optimedia werden 2009 die Ausgaben für Internetwerbung weltweit 54 Milliarden US-Dollar betragen. Ein Großteil gehe davon in Textanzeigen bei Suchmaschinen. Microsoft gibt daher auch „einen Haufen” für eine Bing-Werbekampagne aus, wie Konzernchef Steve Ballmer bei der Präsentation am Donnerstag sagte. Es soll sich um mehr als 100 Millionen Dollar handeln.
Leise Töne von Microsoft-Chef Ballmer
Florian Koch vom Branchenverband Bitkom ist skeptisch, dass der Google-Treue flugs zum Bing-Freund wird. „Untersuchungen zufolge bewegen sich Internetnutzer regelmäßig auf durchschnittlich acht Seiten. Sie verhalten sich vergleichsweise treu in ihrer Nutzung.” Das gelte auch bei Suchmaschinen.
Selbst Ballmer, der sonst nicht als verbaler Leisetreter gilt, gibt sich ungewohnt bescheiden: „Wenn man es mit jemandem zu tun hat, der so dominant ist wie Google, kann man nicht erwarten, dass sich über Nacht alles ändert”, sagte er jüngst der „Business Week”.