Mülheim. Die Reihe mit Pferdefleisch-Funden bei deutschen Unternehmen reist nicht ab. Jetzt hat der Discounter Aldi Nord in seinen Produkten “Tiefkühl Penne Bolognese 750 g“ und “Gulasch 540 g Dose, Sorte Rind“ Anteile von Pferdefleisch nachgewiesen. Aktuell bestünden keine Hinweise auf ein gesundheitliches Risiko.
Auch der Discounter Aldi Nord ist bei der Suche nach Pferdefleisch in Fertiggerichten fündig geworden. In "Tiefkühl Penne Bolognese 750 g" und "Gulasch 540 g Dose, Sorte Rind" seien Anteile von Pferdefleisch nachgewiesen worden, teilte Aldi Nord am Montag in Essen mit. Das Gulasch des Lieferanten Omnimax sei nur in den Aldi-Nord-Regionalgesellschaften Meitzendorf (Raum Magdeburg), Mittenwalde (Raum Süd-Ost-Berlin, Süd-Ost-Brandenburg) und Hoyerswerda (Raum Süd-Ost-Brandenburg, Nord- und Ost-Sachsen) vertrieben worden. Die Tiefkühl Penne Bolognese eines anderen Lieferanten sei in allen deutschen Filialen von Aldi Nord verkauft worden. Aktuell bestünden keine Hinweise auf ein gesundheitliches Risiko. Die Lieferanten hätten gebeten, die Artikel vorsorglich aus dem Verkauf zu nehmen.
In zwei Lasagne-Produkten der Firma Eismann ist ebenfalls Pferdefleisch gefunden worden. Das bestätigte das Unternehmen am Montag in Mettmann in Nordrhein-Westfalen. Eismann forderte die Verbraucher auf, die Produkte an ihren Eismann-Verkäufer zurückzugeben. Weitere Artikel seien nicht betroffen.
Pferdefleisch-Ware kam aus Deutschland
Der Verkauf der Lasagne Bolognese und eines weiteren Lasagne-Produkts war von dem Tiefkühl-Heimservice am 8. Februar gestoppt worden. Zuvor ausgelieferte Ware werde zurückgenommen und der Kaufpreis erstattet, hieß es weiter. Das Unternehmen sieht sich als "Opfer unseriöser Geschäftspraktiken" und kündigte an, Rohfleischlieferanten verschärft zu kontrollieren und mehr DNA-Proben zu nehmen.
Im europaweiten Pferdefleisch-Skandal führt eine weitere Spur nach Deutschland. Der Liechtensteiner Partner der Supermarktkette Lidl, die Firma Hilcona, erklärte am Montag, die Rohware für das Produkt "Combino Tortelloni Rindfleisch" sei vom Fleisch-Lieferanten Vossko aus dem Münsterland gekommen, es enthalte undeklariertes Pferdefleisch. Das Nudelgericht war am Freitag vom Discounter Lidl aus den Regalen entfernt worden.
Die Firma Hilcona berief sich auf umfassende Untersuchungen in Schweizer Labors. "Die Analysen haben ergeben, dass der Lieferant Vossko aus Deutschland die falsch deklarierte Ware geliefert hat", erklärte das Liechtensteinische Unternehmen. Hingegen sei von der zuvor ähnlich wie Vossko verdächtigten Schweizer Firma Suttero nur reines Rindfleisch an Hilcona geliefert worden.
Hilcona kündigt Zusammenarbeit mit Vossko
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Ein Sprecher der Firma Vossko aus Ostbevern in Nordrhein-Westfalen bestätigte, dass Hilcona die Zusammenarbeit mit Vossko aufgekündigt habe. "Wir lassen gerade durch zwei Labore Proben unserer vier Lieferanten von Rindfleisch aus dem vergangenen neun Monaten untersuchen. Frühestens Dienstagabend werden wir erste Ergebnisse haben", sagte ein Vossko-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Bei den Lieferanten handele es sich um drei deutsche Partner und einen aus dem europäischen Ausland. Näheres wollte der Sprecher nicht sagen.
Bei Hilcona im liechtensteinischen Ort Schaan war für Lidl das Nudelgericht "Combino Tortelloni Rindfleisch" unter dem Markennamen Gusto hergestellt worden. Darin hatten die österreichischen Gesundheitsbehörden Spuren von Pferdefleisch entdeckt. Das Produkt wurde inzwischen aus den Regalen genommen.
Verbraucherschützer stellen Pferdefleisch-Listen ins Netz
Verbraucher können jetzt im Internet verfolgen, in welchen Fertigmahlzeiten bereits Pferdefleisch entdeckt wurde. Das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium stellte am Montag unter www.rueckrufe.nrw.de eine Liste mit Herstellern aus NRW ins Netz, die bereits Produkte mit Pferdefleischanteilen zurückgerufen haben. Andere Bundesländer sollen nach Angaben des Ministeriums folgen. Auf der NRW-Liste standen am Montag neun Produkte. Die Verbraucherzentrale Hamburg informiert auch über auffällige Produkte aus anderen Bundesländern. Betroffen sind bislang unter anderem die Handelsketten Aldi, Lidl, Tengelmann und Rewe sowie der Tiefkühl-Händler Eismann. (dpa)
Verbraucherminister beraten über Pferdefleisch-Skandal
Verbraucherministerin Ilse Aigner will angesichts des Pferdefleisch-Skandals schnell eine Herkunftskennzeichnung einführen. Sie sieht darin aber keine Garantie gegen Missbrauch. Zu einem Treffen mit ihren Amtskollegen aus den Ländern am Montag in Berlin legte die CSU-Politikerin einen Entwurf für einen Nationalen Aktionsplan vor. Er sieht zusätzliche Untersuchungen von Fleischprodukten sowie eine europaweite Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Fleischprodukte vor.
Im Deutschlandfunk räumte Aigner mit Blick auf die jüngsten falsch etikettierten Produkte ein: "Eine Herkunftskennzeichnung hätte auch diesen Fall nicht verhindert, weil es hier um die Fleischart geht und nicht um die Herkunft." Die Ministerin rechnet damit, dass man sich über die Parteigrenzen hinweg rasch auf Konsequenzen verständigt. ein Sprecher sagte: "Bund und Länder sind sich einig, was jetzt zu tun ist, und dass wir im Schulterschluss handeln wollen."
Diskussion über Etikettierung von Pferdefleisch
Über die Herkunftskennzeichnung wird auf Ebene der Europäischen Union (EU) schon länger debattiert. Bisher muss bei rohem Rindfleisch zum Beispiel vermerkt sein, aus welchem Staat und Bundesland es stammt - nicht aber bei Fertigware mit Fleisch. Bundesweit sind nun immer mehr Fertigprodukte wie Tiefkühl-Lasagne in Verdacht geraten, entgegen den Angaben auf dem Etikett Pferdefleisch zu enthalten.
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Aigner sagte: "Wir brauchen auf alle Fälle ein schnelles Vorgehen." Bereits jetzt müsse Rindfleisch gekennzeichnet werden. "Wenn jemand Pferdefleisch reinmischt, dann ist es schlicht und ergreifend ein Vergehen. (...) Betrug, könnte man auch sagen." In der "Berliner Zeitung" warnte sie die Industrie vor Verharmlosung des Skandals. "Ich kann der Wirtschaft nur raten, (...) alle Schritte zu unterstützen, die einer schnellen Aufklärung dienen."
Nordrhein-Westfalens Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) sagte vor Beginn des Treffens mit Aigner: "Ziel muss das gläserne Produkt sein." Hessens Ministerin Lucia Puttrich (CDU) mahnte, gegen Kriminalität gebe es keine 100-prozentige Sicherheit. Man müsse aber die Möglichkeit des Betrugs erschweren.
Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) nahm auch die Verbraucher in die Pflicht. "Wer immer nur darauf achtet, das allerbilligste Schnäppchen zu kaufen, ohne darüber nachzudenken, ob das für diesen Preis überhaupt herstellbar ist, der hat seinen Beitrag auch dazu geleistet, dass es soweit kommt", sagte er dem Bayerischen Rundfunk (Bayern 2).
Lebensmittelanalytiker rechnen mit Ausweitung des Skandals
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Thüringens CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht setzte sich für lückenlose Nachweisbarkeit der Produktionsketten und der Herkunftsorte bei verarbeiteten Lebensmitteln ein. Zu Verstößen sagte sie: "Da brauchen wir harte Strafen." EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg drohte Hintermännern die "volle Härte des Strafrechts" an. In der "Bild"-Zeitung schloss er zugleich die dauerhafte Einführung von DNA-Tests für Fleisch auf EU-Ebene nicht mehr aus. Falsch deklariertes Fleisch in den Handel zu bringen, sei kein Kavaliersdelikt. "Und wer sogar Fleisch mit Medikamenten-Rückständen wie Phenylbutazon auf den Markt bringt, ist ein Verbrecher."
Lebensmittelanalytiker rechnen damit, dass sich der Skandal ausweitet. Der Geschäftsführer des ifp Instituts für Produktqualität in Berlin, Wolfgang Weber, bestätigte, dass sein Institut auch bei Döner-Untersuchungen im Auftrag des Fernsehsenders RTL in Leipzig und Berlin in einer Probe einen Anteil von einem Prozent Pferdefleisch entdeckt hat - und in drei Proben sieben Prozent Schweinefleisch.
Die Verbraucherorganisation foodwatch forderte die Bundesregierung auf, unabhängig von Brüssel Untersuchungsverpflichtungen im nationalen Lebensmittelstrafrecht festzuschreiben und Verstöße entsprechend ahnden zu lassen. Vize-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt kritisierte die Haftungsverpflichtungen des Handels als völlig unzureichend. "Die Handelsketten verkaufen Produkte unter ihrem eigenen Namen, für deren Qualität und Rechtskonformität sie strafrechtlich aber faktisch nicht belangt werden können." Der Handel müsse für seine Eigenmarken geradestehen und bei Täuschung oder Gesundheitsgefährdung strafrechtlich als Täter belangt werden. (dpa)