Alaska. .Ausgefallene Maschinen und verlorene Leinen – während sich Royal Dutch Shell bemüht, seine havarierte Bohrinsel Kulluk zu bergen, werden neue Details bekannt, wie es zur Havarie am Silvesterabend vor der Küste von Alaska kam.
Die Kulluk war am Ende des Jahres auf dem Weg von der Arktis ins südlich gelegene Seattle geschleppt worden, um routinemäßige Wartungsarbeiten vorzunehmen. Während dieser Reise sei bereits am 28. Dezember auf einem der beiden Schlepper der Antrieb zeitweise ausgefallen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Am 31. Dezember seien dann in der Nacht die Verbindungsleinen zu einem der Schlepper für einige Zeit verloren gegangen.
Dies führte zusammen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 100 Kilometer pro Stunde und Wellen von elf Meter Höhe dazu, dass die Kulluk in Richtung Küste abtrieb. Als keine Chance mehr bestand, die Kulluk zurückzuziehen, kappten am Neujahrstag beide Schlepper schließlich die Verbindung, um sich und ihre Crew in Sicherheit zu bringen.
"Hurrikan-ähnliche Bedingungen"
Ein Offizieller der US-Küstenwache sprach anschließend davon, dass an diesem Abend „hurrikan-ähnliche Bedingungen“ geherrscht hätten und es deswegen zur Havarie gekommen sei. Verena Monhaupt, Arktis-Expertin von Greenpeace, erklärte jedoch gegenüber der WR: „Stürme dieser Art sind in der Arktis keine Seltenheit und zeigen, wie gefährlich Tankertransporte und Bohrungen hier sind.“
Nach derzeitigen Einschätzungen von Experten geht keine größere Gefahr von der Kulluk aus. Dies liegt zum einen daran, dass bisher keine Schäden an den Tanks gefunden wurden und Diesel leichter in der Natur wieder abgebaut wird als Schweröl. Außerdem befinden sich lediglich rund 568 000 Liter Diesel und rund 45 000 Liter Öl an Bord, also weniger als ein Tausendstel der Menge, die bei Deepwater Horizon ins Meer floss.
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Selbst im Fall eines Auslaufens würden daher das Diesel und das Öl nur einen kleinen Küstenstreifen verschmutzen. Dies würde zwar möglicherweise immer noch für einige Hundert oder Tausend Vögel den Tod bedeuten. Weitreichende regionale Folgen gäbe es indes nicht.
Der Unfall bleibt aber brisant, weil Shell plant, Erdöl in großem Stil in der Arktis zu fördern und bereits öffentlich erklärt hatte, dass man die notwendige, sichere Technik dafür habe. Diese Aussagen waren damals schon von Experten bezweifelt worden und stehen nun erst recht im Kreuzfeuer.
Der Grund wieso die Bohrungen in der Arktis kritisch gesehen werden, ist, dass der arktische Lebensraum als besonders empfindlich gilt. Stefan Hain vom Alfred-Wegner-Institut für Polarforschung erklärt: „Das große Problem ist, dass in kalten Regionen die Lebensabläufe langsamer ablaufen. Dementsprechend dauert es auch wesentlich länger bis sich die Natur dort wieder von einer Verschmutzung erholt hat.“
Risiken können nicht sicher eingeschätzt werden
Generell besteht zudem unter Polarforschern und Umweltschützern der Konsens, dass man noch viel zu wenig über die Arktis wisse, um die Risiken von Bohrungen dort sicher einschätzen zu können. „Wir haben erst begonnen, den komplexen Lebensraum zu verstehen und das arktische System verändert sich bereits jetzt durch den Klimawandel“, sagte Hain im Gespräch mit der WR. „Welche Auswirkungen zusätzliche Belastungen durch Umweltverschmutzungen wie auslaufendes Öl haben würden, ist angesichts unseres derzeitigen Kenntnisstandes nur schwer einzuschätzen.“
Seit Mittwoch versucht nun ein Team von Smit Salvage die Kulluk zu stabilisieren und für einen Abtransport vorzubereiten. Die Firma gilt in der Szene als Experte auf dem Gebiet der Schiffsbergung. So schafften es die Niederländer bereits vergangenes Jahr in die Schlagzeilen, als man mit der Bergung des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia beauftragt wurde.
Doch auch wenn vor Alaska dieses Mal alles glimpflich ausgeht, für Umweltorganisationen wie Greenpeace hat Shell endgültig den Vertrauenskredit verspielt, da es im Juli 2012 bereits einen anderen Vorfall gegeben hatte. Die „Noble Discoverer“, ein Shell-Spezialschiff für Bohrungen, war zeitweilig davongetrieben, weil sich der Anker gelöst hatte und kam dabei der Küste gefährlich nahe. Für Verena Monhaupt ist daher klar, dass Shell keine Sicherheit für Erdölförderung in der Arktis garantieren kann: „Das war der letzte Warnschuss.“