Berlin. . Durch hohe Tarifabschlüsse haben Arbeitnehmer in diesem Jahr in Deutschland 39 Milliarden Euro mehr als 2011 verdient. Das geht aus aktuellen Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Auch gewinnt die Debatte um höhere Lohnabschlüsse für 2013 an Fahrt. Experten fordern ein Ende der Bescheidenheit.
Durch hohe Tarifabschlüsse haben Arbeitnehmer in Deutschland nach einem Zeitungsbericht im zu Ende gehenden Jahr 39 Milliarden Euro mehr als 2011 verdient. Das berichtet die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Danach werde die gesamtwirtschaftliche Bruttolohn- und Gehaltssumme 2012 um 3,6 Prozent steigen. Dies entspreche einem Zuwachs von 39 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Abzüglich der diesjährigen Inflationsrate von 2,1 Prozent bleiben den Berechnungen zufolge 1,5 Prozent oder rund 16,2 Milliarden Euro Lohnzuwachs übrig.
Höhere Löhne kurbeln Binnennachfrage an
Unterdessen gewinnt die Debatte über den Spielraum für Lohnerhöhungen im neuen Jahr an Fahrt. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gert Wagner, warb für Abschlüsse von „im Durchschnitt vier Prozent oder mehr“. Dies sei „sinnvoll, um die Binnennachfrage anzukurbeln und so die extrem ausgeprägte Exportabhängigkeit zu mindern“.
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Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wolfgang Franz, sprach sich dagegen für niedrigere Lohnabschlüsse aus. Notwendig sei eine „beschäftigungsfreundliche Tariflohnpolitik“, forderte er in einem dapd-Interview. Der „gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum“ belaufe sich im Jahr 2013 lediglich auf rund zwei Prozent.
In der „Rheinischen Post“ mahnte Franz, die Tarifvertragsparteien sollten diesen Verteilungsspielraum jedoch „nicht ganz ausschöpfen“. Damit werde ein Beitrag zur Schaffung neuer Arbeitsplätze geleistet. Der Chef der „Wirtschaftsweisen“ fügte hinzu: „Zur Vollbeschäftigung ist es noch ein gutes Stück des Weges.“
„Die Tarifparteien sollten endlich mal mutig sein“
Wagner forderte jedoch: „Die Tarifparteien sollten endlich mal mutig sein.“ Die Lohnpolitik habe „lange Zeit die möglichen Verteilungsspielräume, die sich aufgrund der Produktivitätssteigerungen und der Teuerung ergeben, nicht ausgeschöpft“. Auch im ablaufenden Jahr seien die Lohnabschlüsse gemessen an der Produktivitätsentwicklung moderat gewesen.
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Der DIW-Chef fügte hinzu: „Ich weiß: Hohe Lohnabschlüsse bergen ein Risiko - aber niedrige auch, da wir in Europa leben und nicht auf einer Insel.“ Höhere Lohnabschlüsse in Deutschland seien „zur Stabilisierung der Eurozone wünschenswert“. Wagner warnte: „Denn sie ist nicht nur dadurch gefährdet, dass einige Staaten übermäßig konsumiert oder gebaut haben, sondern auch dadurch, dass Deutschland unter seinen Verhältnissen lebt.“
Der DIW-Vorstandsvorsitzende erläuterte: „Wenn wir hier in Deutschland mehr konsumieren, dann heißt das auch, dass wir mehr aus unseren Nachbarländern importieren. Und das kann dort Wachstumsimpulse auslösen, die dringend nötig sind, wenn Schulden abgebaut werden sollen.“
Bsirske verteidigt 6,5-Prozent-Forderung
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske verteidigte derweil die Forderung der Gewerkschaft von 6,5 Prozent für den öffentlichen Dienst der Länder. Er sagte in einem dapd-Interview: „Die Länder haben bei den Steuereinnahmen deutliche Einnahmefortschritte verzeichnen können.“ Er setze darauf, dass es am Verhandlungstisch zu einer Einigung kommen werde.
Bsirske warnte: „Wenn es sich als schwierig herausstellen sollte, wird es zu Reaktionen in den Betrieben kommen. Dass die Beschäftigten bereit sind, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sie vor zwei Jahren in zwei Streikwellen gezeigt.“ Die Tarifrunde startet am 31. Januar in Berlin. (dapd)