Essen. . Der Thyssen-Krupp-Konzern untersucht intern angebliche Provisionen an eine Briefkasten-Firma im US-Staat Georgia. Die Essener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 14 Personen wegen des Verdachts auf Untreue. Sechs mit dem Geschäft befasste Mitarbeiter von Thyssen-Krupp mussten das Unternehmen verlassen.

Der Essener Thyssen-Krupp-konzern erlebt schwere Zeiten. Nach der Verwicklung in ein Schienenkartell, drohenden Milliarden schweren Abschreibungen in den USA und in Brasilien kommt jetzt auf das Haus möglicherweise noch ein Korruptionsfall zu. Im Kern geht es um angebliche Schmiergeldzahlungen in Zusammenhang mit einem Bauprojekt in Kasach­stan. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt gegen 14 Beschuldigte wegen des Verdachtes auf Untreue. Die Spuren führen in „etliche Länder“, so die Ermittler.

Thyssen-Krupp hat nach eigenen Angaben die Aufklärung selbst eingeleitet. So seien im Zusammenhang mit einer anonymen Anzeige Buchprüfer auf Ungereimtheiten im Konzernbereich GfT Bautechnik gestoßen. Dort soll ein leitender Manager an der Konzernführung vorbei Provisionszahlungen ausgelöst haben. Außerdem habe der Manager für Millionen Euro Material eingekauft, das nicht benötigt werde.

Illegale Provisionen auf Spundwände

„Die verschleierten Zahlungen begründen den Verdacht einer strafbaren Untreue, wegen der die Staatsanwaltschaft gegen die Beteiligten ermittelt. Die zuständigen Behörden wurden aktiv von uns informiert. Thyssen-Krupp sieht sich selbst als geschädigt“, sagte der Thyssen-Krupp-Vorstand Edwin Eichler unserer Zeitung. Alle fünf mit dem Geschäft befassten Mitarbeiter sowie der verantwortliche Manager wurden entlassen. Gegen den Manager läuft bereits ein Prozess auf Schadensersatz in Millionenhöhe.

Die Vorwürfe haben es in sich: Nach Angaben von Thyssen-Krupp hätten die Buchprüfer herausgefunden, dass im Zusammenhang mit dem Bau von künstlichen Inseln im Kaspischen Meer Spundwände nach Kasachstan verkauft worden wären, auf die illegale Provisionen gezahlt worden seien.

Das Geschäft hat ein Gesamtvolumen von bis zu 400 Millionen Euro, von denen bis heute etwa 120 Millionen Euro abgerufen wurden. Die Zahlungen sind laut ThyssenKrupp über ein holländisches Unternehmen an eine Firma namens „Rockflare“ geflossen.

Briefkastenfirma aus dem US-Staat Georgia

Nach Recherchen unserer Zeitung handelt es sich bei „Rockflare“ um eine Briefkastenfirma aus dem US-Staat Georgia, die ihren angeblichen Geschäfts-Sitz in Dublin hat, in der Büro-Etage eines Treuhand-Fonds. Gemanagt wird „Rockflare“ von einer weiteren Briefkastenfirma, hinter der drei Personen aus den Seychellen stecken sollen, von denen sich eine „Sheirley Banane“ nennt.

Laut Thyssen-Krupp sind insgesamt rund acht Millionen Euro an die holländische Firma und weiter an „Rockflare“ geflossen. Was mit dem Geld passiert ist, sei unbekannt. Ein Insider des Geschäftes sagte unserer Zeitung, die Provisionen seien geflossen, um das Kasachstan-Geschäft anzuschieben. Thyssen-Krupp-Vorstand Eichler sagt: „Anhaltspunkte für Korruption liegen uns nicht vor.“

Die Entlassenen bestreiten die Vorwürfe. Ein Anwalt des gefeuerten Managers, gegen den Thyssen-Krupp auf Schadenersatz klagt, sagte: Hintergrund der Entlassung sei ein Machtkampf gewesen. Sein Vorgesetzter habe einen Grund gesucht, seinen Mandanten wegen persönlicher Querelen zu entlassen. Dieser Grund sei über die vermeintlichen Provisionszahlungen konstruiert worden. Von angeblichen Zahlungen an die „Rockflare“ habe sein Mandant nichts gewusst, sagte der Anwalt. Der besagte Vorgesetzte ist im Zusammenhang mit dem Schienenkartell inzwischen selbst entlassen worden.