Berlin. . Weil die Lebensversicherer unter den durch die Finanzkrise niedrigen Zinsen leidet, will ihr die Politik unter die Arme greifen. Experten raten Verbrauchern: Ruhe bewahren. Alte Verträge zu kündigen, lohnt sich selten. Neue Abschlüsse wollen aber gut überlegt sein. Inzwischen gibt es bessere Anlagen.

Die deutschen Lebensversicherer geraten wegen anhaltend niedriger Zinsen immer stärker unter Druck – und damit auch Millionen Versicherte. Manche Unternehmen drängen Kunden sogar zum Tausch ihrer alten Verträge, die bis zu vier Prozent abwerfen müssen. „Die neuen Tarife werden als passender dargestellt“, sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Man könne aber davon ausgehen, dass von dem Tausch nur die Unternehmen profitierten.

Die Regierung will die Branche mit einem Gesetzespaket unterstützen. Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass finanzschwächere Anbieter ab 2018 in Schwierigkeiten geraten könnten, wenn die Phase der niedrigen Zinsen anhält. Nun sollen Versicherer Gewinnreserven behalten dürfen, statt sie anteilig an Kunden auszuschütten. Kleinlein kritisiert dies als Vertriebsförderung zu Lasten der Verbraucher.

Über 80 Milliarden Euro zahlen die Sparer jährlich in Lebensversicherungen ein

„Die Lebensversicherung ist sicher“, behauptet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Auch von einer Aussetzung der Garantie-Verzinsung, die bei 1,75 Prozent liegt, könne nicht die Rede sein.

Altersvorsorge im Überblick
Altersvorsorge im Überblick

Die Kapitallebensversicherung ist in Deutschland weit verbreitet. Über 90 Millionen Verträge laufen. Über 80 Milliarden Euro zahlen die Sparer jährlich ein.

Wenn schon die Bundesregierung sich um die Lebenversicherer sorgt – was ist dann mit der eigenen Versicherung? Der Expertenrat lautet: Ruhe bewahren. Fragen und Antworten zu den Schwierigkeiten der Branche.

Können sich die Kunden auf den Garantiezins verlassen?

Der beim Abschluss einer Kapitallebensversicherung gewährte Garantiezins kann nicht einseitig oder rückwirkend verändert oder gar ausgesetzt werden. Allerdings verändert sich die Mindestleistung mitunter für neue Verträge. Während viele alte Policen noch vier oder 3,5 Prozent vorsahen, gibt es seit Jahresbeginn nur noch 1,75 Prozent Garantieverzinsung. Der Begriff täuscht auch noch ein wenig: Diese Zusage bezieht sich nicht auf den gesamten Beitrag, sondern auf den Teil, der angespart wird. Die Kosten für den mit den Verträgen verbundenen Risikoschutz, zum Beispiel gegen Unfall oder Tod, werden nicht verzinst.

Warum haben die Versicherer Schwierigkeiten mit ihren Kapitalanlagen?

Die Unternehmen müssen das Geld der Versicherten möglichst sicher anlegen. „90 Prozent der Anlagen werden festverzinslich angelegt“, erläutert Theo Pischke von der Stiftung Warentest. Dazu gehören vor allem deutsche Staatsanleihen, die kaum noch Zinsen abwerfen.

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Von Wolfgang Mulke

Wenn es für Schulden des Bundes weniger als zwei Prozent Zinsen gibt, fällt es den Versicherern auf Dauer schwer, die versprochenen drei oder vier Prozent zu erwirtschaften. Da die Europäische Zentralbank den Leitzins vermutlich noch lange niedrig halten wird, verschärft sich dieser Effekt weiter. Bis 2018 erwartet die Bundesregierung noch keine großen Schwierigkeiten. Danach befürchtet das Finanzministerium, „dass einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten geraten“, heißt es in einem Schreiben für den Bundestag.

Entspannt sich die Lage, wenn die Zinsen wieder steigen?

Wohl nicht. Die Experten des Ministeriums vermuten, dass viele Kunden in diesem Fall auf besser verzinste Anlagen ausweichen und ihr Geld zurückziehen. In diesem Fall müssten die Versicherungen Anlagen auflösen und dabei erhebliche Wertverluste hinnehmen. „Die Unternehmen haben unter Umständen nicht mehr ausreichende Mittel, um die Verpflichtungen aus den im Bestand verbleibenden Versicherungsverträge zu erfüllen,“ vermuten die Beamten.

Droht eine Pleitewelle?

Nein. Die Bundesregierung will die finanzielle Lage der Branche stabilisieren. So sollen Unternehmen gut verzinste Anlagen länger halten dürfen, statt aktuelle Gewinne daraus an die Kunden ausschütten zu müssen. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) sieht in den Warnungen der Regierung ohnehin „rein hypothetische Betrachtungen“.

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Die Aufsichtsbehörden hätten noch vor kurzem bestätigt, dass die Lebensversicherer ihre Verpflichtungen auch in ei­ner extremen Niedrigzinsphase noch „etliche Jahre“ erfüllen können. Auch die Stiftung Warentest erkennt keine besonderen Ge­fahren.

Sollten Verbraucher vorsichtshalber ihre Verträge kündigen?

Davon rät Pischke ab. „Aus ei­nem langfristigen Vertrag herauszugehen, ist ein Riesenblödsinn“, meint der Experte. Zur Sicherheit sollten Anleger auf einem Renditerechner im Internet auf der Seite der Warentester nachrechnen, ob sich die Anlage tatsächlich lohnt.

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Denn Verbraucherschützer kritisieren, dass die Kunden nicht genau über die tatsächliche Verzinsung informiert werden. Deshalb fordern die Grünen Gegenleistungen der Anbieter für die Hilfe. „Die Versicherungen müssen die Berechnung der Überschussbeteiligungen in einer Form transparent machen, die für ihre Kunden nachvollziehbar ist“, sagte der Finanzexperte.

Sind die Anlagegelder der Versicherungen wie die Spargroschen bei der Bank geschützt?

Bislang haben sich die Versicherungen immer selbst geholfen, wenn einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten kamen. Dann übernahmen andere Anbieter die Kunden und damit auch die Verträge, so dass den Verbrauchern kein Schaden entstand. Außerdem gibt es die Auffanggesellschaft Protektor, die von der Branche getragen wird und notfalls den Vertragsbestand von Pleitegesellschaften weiterführt. Bisher sind noch nie Kunden um ihr Vermögen gekommen.