Mülheim. . Karl-Erivan Haub, Chef des Handelskonzerns Tengelmann, erwartet ein gutes Weihnachtsgeschäft in Deutschland. Die Euro-Krise trübe den Konsum nicht, sagte er der WAZ Mediengruppe. Tengelmann feiert in diesen Tagen 100-jähriges Jubiläum der Zentrale in Mülheim.
In der Debatte um Noroviren verseuchte Erdbeeren aus China meldet sich nun auch der Handel zu Wort. „Lebensmittel in Deutschland waren noch nie so sicher wie heute. Menschliches Versagen ist aber nie auszuschließen“, sagte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub dieser Zeitung. Unter dem Namen Kaiser’s/Tengelmann betreibt die Mülheimer Unternehmensgruppe in Deutschland über 500 Supermärkte.
Erdbeeren oder frische Äpfel auch außerhalb der Saison essen zu können, sei inzwischen eine „Selbstverständlichkeit und Lebensqualität“. Nach der Norovirus-Epidemie durch chinesische Tiefkühl-Erdbeeren in Ostdeutschland spricht sich Haub nicht dafür aus, Importware aus fernen Ländern aus dem Sortiment zu nehmen. „Das würde unter anderem die Erzeuger in den Herstellerländern ruinieren“, so Haub.
Das deutsche Supermarkt-Geschäft bezeichnet er wegen des heftigen Preiswettbewerbs und des Überangebots an Handelsfläche als „beinhart“. Jedoch habe sich der deutsche Markt für die Tengelmann-Gruppe, die in 15 europäischen Ländern vertreten ist, wieder als „sicheres Kerngeschäft“ erwiesen. „Das war mal anders“, so Haub.
Adventsartikel laufen schon gut
„Die Euro-Krise hat sich merklich beruhigt, wenn auch die Probleme der Verschuldung nicht gelöst sind“, sagt Haub. „Die Aussichten für den Konsum sind gar nicht so schlecht. Das liegt auch an der niedrigen Arbeitslosigkeit.“ Der Tengelmann-Chef rechnet mit einem guten Weihnachtsgeschäft. „Die Adventsartikel laufen schon gut“, erklärt er. Im Internet-Geschäft – zu Tengelmann gehören Plus.de, Babymarkt und Beteiligungen wie an Zalando – zeichneten sich vor dem Fest zweistellige Wachstumsraten ab.
Das Familienunternehmen ist auch aus einem anderen Grund in Feierlaune: Seit 100 Jahren hat Tengelmann seinen Sitz in Mülheim. Im Herbst 1912 machte der damalige Firmenchef Karl Schmitz-Scholl seinen Traum wahr und nahm die Süßwarenfabrik Wissoll in Betrieb. Das bisherige Kolonialwaren-Unternehmen, das 1867 in Mülheim gegründet wurde, produzierte fortan auch Lebensmittel. Tengelmann stellte die Süßwaren- und Schokoladenproduktion 2003 ein.
Tengelmann-Familie Haub baut sich ein „Technikum“ in Mülheim
Zum Jubiläum erfüllte sich die Familie jetzt abermals einen Traum: Sie baute eine leerstehende Halle in Mülheim zum „Technikum“ um. In einem Museum mit Veranstaltungszentrum stellt Tengelmann nun historische Fahrzeuge aus, die die Familie während der 145-jährigen Unternehmensgeschichte gefahren hat. Dazu gehören regelrechte Oldtimer wie der Pierce Arrow A 43 oder der Ford A Tourer oder der Lanz Bulldog Traktor. Zu sehen sind aber auch eine alte Bonbonstraße und eine Tiegeldruckpresse.
Das „Technikum“ soll der Öffentlichkeit im nächsten Frühjahr bei einem Tag der offenen Tür präsentiert werden. Rund 30 historische Fahrzeuge, die früher in Garagen und im Trafohaus standen, wurden aufgearbeitet und glänzen nun im Museum. Darunter auch die Fahrräder, mit denen die Haub-Brüder Karl-Erivan, Georg und Christian als Kinder über das Firmengelände gefahren sind. Das Veranstaltungszentrum, das 1000 Menschen fasst, hat am Freitag beim Oktoberfest für alle Mitarbeiter seinen ersten großen Einsatz. Wie das Museum ist es in einer ehemaligen Obst- und Gemüsehalle untergebracht, die seit 2009 leer steht. Tengelmann ließ es bis auf die Grundpfeiler abreißen und neu aufbauen. Wie der Klimamarkt gegenüber wird es mit Solar- und Erdwärme geheizt.
100 000 Euro für die Stadt Mülheim
Auch die Stadt soll von dem runden Geburtstag profitieren: Der Konzern schenkt der Bürgerschaft 100.000 Euro – 1000 Euro für jedes Jahr in Mülheim. 50 000 Euro sollen in ein Jugendprojekt fließen, die anderen 50 000 in ein Umweltprojekt im Stadtteil Speldorf. „Der Zweck steht noch nicht fest. Die Bürger sollen uns oder der Stadt Vorschläge machen“, bittet Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub um Anregungen. Mit der Spende will er sich auch bei der Stadt für die Zusammenarbeit bedanken: „Wir haben gute Beziehungen zur Stadt Mülheim. Das war meinem Vater leider nicht vergönnt.“
Der heutige Tengelmann-Chef erinnerte mit diesem Seitenhieb an die Konflikte, die sein Vater Erivan Haub mit der Verwaltung hatte. In den 70-er Jahren wollte sie verhindern, dass Tengelmann auf dem ehemaligen Schlachthof-Gelände an der Lindenstraße Parkplätze baut. Auch den Sportplatz wollte die Stadt dem Konzern nicht als Reservefläche zugestehen. Erivan Haub war verärgert und richtete in Wiesbaden eine Zweigzentrale ein.
Image-Film und eigener Song
Das ist nun alles Schnee von gestern. In den nächsten Tagen wird die letzte Abteilung aus Wiesbaden nach Mülheim zurück verlegt. An der Wissollstraße haben inzwischen 14 Tengelmann-Firmen ihren Sitz. Für sie arbeiten dort rund 1200 Menschen.
Das Familienunternehmen fühlt sich in Mülheim wohl. Nicht von ungefähr hat Tengelmann als Slogan für das Jubiläum „Heimat 100. In Mülheim zu Hause“ gewählt. Ein Image-Film unterstreicht die Verbundenheit ebenso wie ein eigens komponierter Song.