Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält angesichts der Berichte über ein Ende der Rezession in Deutschland die Krise in der Wirtschaft für noch nicht ausgestanden. Ein Wirtschaftsweiser rechnet 2009 mit einem Wachstumsminus von 5,5 Prozent.

"Wir haben die Talsohle erreicht und vielleicht auch das erste zarte Pflänzchen, dass es aufwärts geht", sagte Merkel in Berlin. Das Statistische Bundesamt hatte zuvor einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,3 Prozent gegenüber dem ersten Quartal mitgeteilt. Damit wurde nach vier BIP-Rückgängen in Folge erstmals wieder ein Zuwachs erzielt.

Zahlen "relativ erfreulich"

Die CDU-Vorsitzende erklärte, die jüngsten Zahlen seien zwar "relativ erfreulich". Absolut betrachtet seien sie im Vergleich zu der Situation vor eineinhalb Jahren aber noch immer «dramatisch schlecht». Die deutsche Wirtschaftsleistung werde in diesem Jahr um rund sechs Prozent schrumpfen. Vorbei sei die Krise erst, wenn der Stand vor dem Einbruch der Märkte erreicht werde, sagte Merkel.

Der Präsident der Metallarbeitgeber, Martin Kannegiesser, sagte, im Juli sei der Auftragseingang um 4,8 Prozent gestiegen. Dabei sei allerdings zu bedenken, dass das Niveau zuvor um 30 Prozent abgesunken sei, sagte er dem «Westfalen-Blatt» in Bielefeld. Kannegiesser betonte: »Wir sitzen in einem tiefen Loch und freuen uns, sobald wir ein Stück hochkrabbeln.«

Freie Fall gestoppt

Auch der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf, Gustav Adolf Horn, sieht noch keine Trendwende. «Das leichte Wachstum von 0,3 Prozent zeigt, dass der freie Fall gestoppt ist», sagte er der «Passauer Neuen Presse». Aber: "Wir dümpeln um die Null-Linie herum. Im nächsten Quartal kann es eine schwarze oder eine rote Null sein."

DGB-Chef Michael Sommer verwies auf ein Wirtschaftswachstums-Minus von 7,1 Prozent im Vorjahresvergleich. «Es geht also runter», sagte der Gewerkschafter im ZDF. Er wolle vermeiden, dass die Menschen nach der Bundestagswahl am 27. September «aufwachen und sich die Augen reiben».

Anspringen der Weltkonjunktur nicht in Sicht

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Wolfgang Franz, sagte der «Bild»-Zeitung zufolge für 2009 ein Minuswachstum von 5,5 Prozent voraus. «Das hat schlimme Folgen für den Arbeitsmarkt: Zur Jahreswende wird die Vier-Millionen-Marke gerissen, 2010 bleiben wir aber unter fünf Millionen», wird der Wirtschaftsexperte zitiert. Es werde keine stürmische Aufwärtsbewegung der deutschen Wirtschaft geben, weil ein Anspringen der Weltkonjunktur nicht zu erkennen sei.

«Wir sind mit dem Fahrstuhl im Keller angekommen, jetzt geht es mit der Rolltreppe ganz langsam nach oben. Die Rezession ist noch nicht überstanden», sage Franz den Angaben zufolge.

Alte Stärke in weiter Ferne

Ähnlich äußerte sich Dennis Snower, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft: Der steile Absturz der Wirtschaft sei zwar gestoppt, die weltweite Krise deshalb aber nicht überstanden. Es gebe keine Anzeichen für einen neuen, nachhaltigen Aufschwung. «Die deutsche Wirtschaft wird so schnell nicht zu alter Stärke und den alten Wachstumsraten zurück finden», betonte er. (ddp/AP)